Demokratie muss direkt sein, damit sie nicht zur Wahlaristokratie verkommt!

Vorwort:

Der Ursprungsgedanke zu diesem Essay entstand am 28.10.2019, nachdem es bei der Wahl zum Thüringer Landtag zu gleich drei Zäsuren gekommen war [vgl. 1]: Erstens, dass die Linkspartei mit 31,0 % erstmals in einem Bundesland die stärkste Partei wurde – und zwar vor allem durch ältere Wähler. Zweitens, dass die AfD mit 23,4 % zweitstärkste Partei wurde – und dies insbesondere vorherigen Nichtwählern und jüngeren Wählern zu verdanken hat. Und drittens, dass die vier in Westdeutschland etablierten Parteien (CDU, FDP, SPD und Grüne), selbst wenn sie denn miteinander koalieren wöllten – und sei es nur um die Ränder des Parteiensystems von der Regierung auszuschließen – das gar nicht könnten, da sie mit zusammen 40,8 % der Stimmen gerade mal auf 2/5 der Wählerstimmen gekommen sind.

Die Reaktion der größeren Pressestimmen waren verstört – aber wie fast immer, wenn es um Ostdeutschland geht, wird ein spezieller Ausnahmefall betont, anstatt das es zu einer brauchbaren Ursachenanalyse kam. Als Beispiel soll dieses Zitat der Rhein-Neckar-Zeitung aus Heidelberg dienen:

»Der Schock ist groß [...] über den Erfolg der Protest- und Rechtsaußenpartei AfD. [...] Die von einem großen Minderwertigkeitskomplex überfrachteten Wutreden mobilisierten allem Anschein nach Menschen, die bisher Wahlen ferngeblieben sind [...]. Ein ärgerlicher Betriebsunfall, der eben kein gesamtdeutsches Phänomen darstellt, sondern eines der neuen Bundesländer. Weitaus schlimmer ist das Schrumpfen der alten Volksparteien CDU und SPD.« [nach 2]

Dass es zumindest Gründe dafür gibt, warum die Volksparteien schrumpfen und die Ränder wachsen, hat dagegen das Handelsblatt aus Düsseldorf erkannt, das sonst eher auf Wirtschaftsanalysen spezialisiert ist:

»Selbstständige und Handwerker, die früher ihre politische Heimat bei CDU und FDP hatten, machen ihr Kreuz genauso bei der AfD wie die Arbeiter, die eigentlich zur SPD und Linkspartei neigen. Es geht eben nicht nur um einige aus prekären Verhältnissen, die sich abgehängt fühlen. Offensichtlich haben es die etablierten Parteien versäumt, sich um diejenigen zu kümmern, die sich nicht als Gewinner der Globalisierung fühlen.« [nach 2]

Indirekt wird so darauf hingewiesen, dass es in Ostdeutschland kaum Gewinner der Globalisierung gibt. Wie soll es die auch geben, nachdem die ostdeutsche Wirtschaft seit der Wiedervereinigung zu einem »Reproduktionskörper der regionalen Genügsamkeit verkommen« [3, S. 81] ist, wie es der Reporter Matthias Krauß genannt hat?

Doch auf die Frage warum die AfD Menschen aller Lager zu sich ziehen konnte, fand weder das Handelsblatt, noch kaum ein anderes Medium eine Antwort. Eine der wenigen Ausnahmen fand sich in einem im Berliner Tagesspiegel veröffentlichten Interview mit Martin Sabrow, dem Direktor des Potsdamer Leibniz-Zentrums für Zeithistorische Forschung:

»Es ist erstaunlich, in welch starkem Maße es mit der AfD – einer ursprünglich marktliberalen Rechtspartei aus dem Westen – gelungen ist, sich im Osten in das Erbe von 1989 einzuschreiben. Dass ein solcher politischer Wechselbalg in Thüringen wie in Sachsen und Brandenburg ein Viertel der Wählerschaft zu binden vermag […], lässt sich ohne Blick auf ’89 kaum erklären. Es drängt sich die Vermutung auf, dass es den ostdeutschen AfD-Wählern weniger um das rechtspopulistische Programm geht als um die Tradition einer Verweigerungshaltung und des Ressentiments gegen die vom Staat verkörperte Werteordnung.« [4]

Dieses Zitat steht etwas unterhalb eines Fotos des Thüringer AfD-Kandidaten Björn Höcke neben seinem Wahlspruch »Vollende die Wende!« In dieser Kombination drängte sich mir nun die Frage auf: Haben die Ostdeutschen denn keine andere staatliche Werteordnung bekommen, nachdem sie 1989 die Wende angeschoben hatten und so die Werteordnung der DDR durch die der BRD ersetzten? Oder haben beide Werteordnungen doch Gemeinsamkeiten genug, sodass man sich ihnen beiden verweigern kann?

Meine Aufgabe war damit klar: Herausfinden, was die Ostdeutschen in der Wendezeit 1989/90 wirklich erreichen wollten, was sie davon bekommen haben – im positiven wie negativen Sinn – und überlegen, was an der Kritik der sächsischen Gleichstellungsministerin Petra Köpping dran ist, »dass westdeutsche wirtschaftsliberale Wissenschaftler, Experten und Bürger uns Ostdeutschen erklären, warum das alles genau so passieren musste, wie es passierte« [5, S. 40].

Dass dies einen Rattenschwanz an Zeitzeugenberichten sowie Staats- und Demokratietheorien nach sich ziehen würde – und damit monatelanges Zusammenklauben von Quellen – diese Herausforderung habe ich angenommen, da mir mit meinem ostdeutschen Migrationshintergrund die Situation in Ostdeutschland sicherlich nicht egal ist. Aber stark erleichtert hat mir diese Aufgabe die Forscher um Kerstin Brückweh vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung, die 30 Jahre nach dem Mauerfall etwas lange überfälliges getan haben, für das ich zutiefst dankbar bin: Nämlich den akademischen Elfenbeinturm zu verlassen und auf eine Dialogreise unter dem Motto »Differenzierung ist die neue Meistererzählung« zu gehen [6, S. 258], d.h. in Gesprächen mit den Betroffenen der Wende ihre Lebenswirklichkeit vor, während und nach der Wende zu erfahren – in »einem unvoreingenommenen, unideologischen Versuch, den Gegenwartsosten anders zu verstehen denn als Niedergangsregion, Tal der Ahnungslosen oder rechtes Aufmarschzentrum« [7, S. 217], so der die Forscher begleitende Journalist Christian Bangel.

Was ich aber nicht erwartet hatte, war, dass sich in der Zwischenzeit die Situation in Belarus auf eine ähnliche Situation hinbewegen würde wie es beim Beginn der friedlichen Revolution in der DDR der Fall war. Aber dies gab mir nun, zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung, auch Möglichkeit, die Intentionen hinter den Protesten in der damaligen DDR und im heutigen Belarus zu vergleichen und Schlüsse zu ziehen.

Um dabei kurz auf Höckes Slogan zurückzukommen: Nein, die Wende ist nicht vollendet, aber die Lösungen der AfD würden dies erst recht nicht erreichen, sondern das, was bei der Wende schiefgelaufen ist, nochmals schlimmer machen. Anders gesagt: Sowohl Ostdeutschland als auch Belarus brauchen endlich eine Demokratie, die ihren Namen verdient! Warum Wahlen dazu schlicht nicht ausreichen – und welcher Ergänzungen zu diesen nötig sind – soll in diesem Essay erläutert werden.

- MP, 03.10.2020

 

Wiederholt sich Geschichte?

Vor wenigen Monaten hat sich in Belarus ein Phänomen wiederholt, dass 1989 in der damaligen DDR stattgefunden hat: Unübersehbare Wahlmanipulationen haben zu Massenprotesten gegen die Regierung geführt und zu Forderungen nach einem besseren Staat mit mehr Demokratie.

Während in Belarus der Weg noch nicht absehbar ist, den das Land gehen wird, werden die Entwicklungen, die Ostdeutschland genommen hat, jährlich am 3. Oktober gefeiert – denn das vereinigte Deutschland leitet sein »Selbstverständnis aus einer bestimmten Interpretation der Vergangenheit ab. Historiker nennen das Meistererzählung« [8]. Die offizielle Würdigung der Ereignissse beschreibt der Historiker Marcus Böick wie folgt:

»Mit dem 3. Oktober 1990 ist die Geschichte im Grunde nach all den Katastrophen des 20. Jahrhunderts beendet. Der Tag markiert das nationale Happy-End. [...] Die friedliche Revolution, die zum unverhofften Ende einer Diktatur geführt hat, zur Einführung einer Demokratie. […] Mit der deutschen Einheit endet die Nachkriegszeit, und es beginnt das vereinte Deutschland im sich vereinigenden Europa. […] Eine scheinbar alternativlose Heldengeschichte.« [8]

Doch wenn diese Geschichte eine so fundamentale Verbesserung gewesen sein soll – warum halten Stand 2019 nur 38 % der Ostdeutschen die Wiedervereinigung für gelungen und sind knapp die Hälfte der Ostdeutschen eher oder ganz unzufrieden mit der bundesdeutschen Demokratie [vgl. 9]?

 

Die Zwecke der Demokratie

Um diese Frage zu beantworten, ist eine theoretische Definition von Demokratie (noch) fehl am Platz, da man aus dieser nicht ohne weiteres Gründe für den Protest der Menschen ableiten kann. Stattdessen soll mit folgendem Zitat von Francis Cheneval begonnen werden, das die Zwecke der Demokratie beschreibt:

»Im Zeichen des gesellschaftlichen Wandels steht die Demokratie für den ständig neu lancierten Kampf der Menschen um Beteiligung an politischer Herrschaft, um Verminderung exzessiver Autorität sowie um Anerkennung als gleichbehandelte Rechts- und Wirtschaftsteilnehmende.« [10, S. 1–2]

Anhand dieser vier Zwecke lässt sich nun für die DDR analysieren, warum die Menschen vor drei Jahrzehnten überhaupt auf die Straße gegangen sind und für Belarus, warum sie damit begonnen haben. Der Didaktik wegen soll mit letzterem Land begonnen werden.

 

Der Zustand in Belarus

Der Beteiligung an der politischen Herrschaft ist, seitdem Lukaschenko 1994 gewählt wurde, sukzessive abgeschafft worden. Dieser hat zudem eine Staatsideologie entwickelt, die er aber nicht per Staatspartei verbreitet [vgl. 11], sondern indem »ein Machtwechsel mit legalen Mitteln unmöglich ist. Alle Wahlen werden vollständig von der staatlichen Exekutive kontrolliert, so dass sie stets zum gewünschten Ergebnis führen« [12].

Seitdem hat Lukaschenko auch die Macht exzessiv auf sein Präsidentenamt konzentriert: So ernennt er die Regierung, kann das Parlament auflösen, Richter entlassen, den Ausnahmezustand verhängen und – selbst ohne diesen – per Präsidialdekret durchregieren [vgl. 13]. Insofern kann man von einer Machtvertikalen des Präsidenten sprechen und ist es kaum relevant, dass in Belarus eine Opposition erlaubt ist – es ist daher gerechtfertigt, Begriffe wie »Diktatur« oder »posttotalitärer Autoritarismus« [11] für Belarus zu verwenden.

Was den Punkt Wirtschaft angeht, ist Belarus zugute zu halten, dass die weiterhin vorherrschende Planwirtschaft die Entstehung von Oligarchen wie in anderen postsowjetischen Staaten verhindert hat. Allerdings funktionierte dies nur dadurch, dass Belarus vom befreundeten Russland subventioniertes Öl erhalten hat, dass es dann teurer weiterverkaufen und mit dem Geld die eigenen Staatsbetriebe modernisieren konnte. Als Moskau dann zu Beginn von 2020 die Lieferungen eingestellt hat, um den schon länger verhandelten Anschluss von Belarus an Russland voranzutreiben, fiel dies weg – gefolgt von der Corana-Krise hinzukam, welche vor allem Russland betraf, den größten Abnehmer von Produkten aus Belarus [vgl. 14] und die Situation begann sich auch für die Belarussen rapide zu verschlechtern.

Wenige Monate später, am 09.08.2020, die nächste Präsidentschaftswahl stattfand – und ein 80%-Sieg des amtierenden Präsidenten Lukaschenko verkündet wurde. Dass dieses Ergebnis manipuliert war, wie bereits alle Wahlergebnisse Lukaschenkos nach 1994, war nicht einmal das Problem. Was die Menschen auf die Straße getrieben hat, war die Dreistigkeit der Manipulation – so meine ein Demonstrant, und dass wahrscheinlich alle (noch) ruhig gehalten hätten, wenn Lukaschenko seinen »offiziellen« Sieg mit 52% verkündet hätte, selbst wenn dies wahrscheinlich noch immer das Doppelte der realen Stimmenzahl gewesen wäre [vgl. 15]. Hinzu kam seine Kleinrede-Strategie während der Corona-Pandemie, welche die Menschen erstmals klar machte, dass der sich als Kümmerer inszenierende Präsident sich gar nicht um die einfachen Leute kümmern will [vgl. 16].

Der eigentliche Kipppunkt entstand dann im Bereich Recht: So wurde den vor allem aus unbescholtenen Bürgern bestehenden Protestierenden vom Präsidenten pauschal ein krimineller Hintergrund zugesprochen, was diese dann erst recht auf die Straße trieb. Die Protestierenden reagieren explizit richtig, wenn sie nun den Polizeieinheiten positiv zeigen wollen, dass deren oberster Chef unrecht hat, indem sie eine Umarmungsstrategie verfolgen [vgl. 17].

Inwiefern es nun zu gesellschaftlichen Änderungen kommt, ist aber noch nicht geklärt, denn Lukaschenko kann im Gegenzug den Hebel Wirtschaft einsetzen: »Der Staat als der mit Abstand größte Arbeitgeber erleichtert den Herrschenden die Kontrolle der Gesellschaft, weil die Sorge der Arbeitnehmer um ihren Arbeitsplatz leicht in politische Loyalität umgemünzt werden kann.« [11]

Die offene Frage für Belarus ist damit: Sind die Angestellten der Staatsbetriebe bereit, weiter zu protestieren, selbst wenn der Präsident ihnen dafür den Lohn entziehen kann?

 

Warum Wahlen nicht reichen

Aber nehmen wir einmal an, die Opposition kommt mit ihren Forderungen durch und es gibt demnächst freie Wahlen in Belarus: Dann wäre auf jeden Fall die exzessive Autorität ausgeschaltet.

Doch was passiert nach der Wahl? Denn gerade, wenn man Belarus betrachtet, darf man nie vergessen, dass Lukaschenko selbst 1994 durch eine demokratische Wahl an die Macht gekommen ist – und zwar als Kämpfer gegen Korruption. Als er dann an der Macht war, hat er sich bis 1996 die Medien und die Gesetzesinitiative verschafft und Parlament sowie Verfassungsgericht aufgelöst [vgl. 18]. Dies verlief weit schneller als die nächste Neuwahl. Der bittere Schluss ist damit: Alle paar Jahre eine Wahl abzuhalten ist zu wenig, um exzessive Autorität zu verhindern und die Beteiligung der Menschen an der politischen Herrschaft sicherzustellen.

Derartige Situationen sind zudem keine Einzelfälle. So ist aktuell z.B. für den gewählten Präsidenten von Brasilien, Jair Bolsonaro, die Militärdiktatur das Vorbild [vgl. 19], auch wenn er diese (noch?) nicht errichtet hat.

Auch beim Bereich Recht sind Wahlen nicht ausreichend: Wir alle erinnern uns mit Grausen an die Anwälte von US-Präsident Donald Trump während der Russland-/Ukraine-Affäre, die erklärt haben, dass er als »oberster Vollzugsbeamter« nicht nur seine »Untergebenen« einstellen und feuern könnte, wie es ihm beliebt, sondern auch Ermittlungen gegen ihn direkt beenden dürfe [vgl. 20] und damit im Endeffekt über den Gesetzen des eigenen Landes steht. Das Amtsenthebungs-Verfahren gegen Trump wurde dann auch dadurch beendet, dass Trumps Getreue im Senat schlichtweg abgelehnt haben, Zeugen zu anhören, die den Präsidenten möglicherweise belasten würden [vgl. 21 & 22] – eines Rechtsstaats, der sich als »demokratisch« bezeichnet, ist ein solches Verfahren schlicht unwürdig. Und abwählen kann das amerikanische Volk den Präsidenten auch nicht – so bleibt ihnen nur, bis zur nächsten Wahl durchzuhalten. Aber die Zeit bis dahin ist für die Menschen verloren.

Noch kritischer zu sehen ist, dass die Richter am Oberstern Gerichtshof vom amerikanischen Präsidenten nominiert werden, nachdem einer von ihnen gestorben ist – und, sofern der Senat diese bestätigen, diesen Posten dann auf Lebenszeit erhalten. So können, sofern dieses Staatsorgan auf Linie des Präsidenten ist, wie derzeit, dessen Überzeugungen noch Jahrzehnte über das Ende von dessen Amtszeit hinaus wirken [vgl. 23].

Bleibt der vierte Zweck der Demokratie, die wirtschaftliche Teilhabe. Hier können wir nach Ostdeutschland schauen, wo die marode Wirtschaft der DDR durch die Währungsunion eben nicht wieder auf die Beine gestellt wurde, wie Wendefotograf Daniel Biskup ausführt:

»Mit Einführung der neuen Währung hatten Betriebe gar keine Chance mehr, genug zu verdienen, um ihre Kosten in D-Mark zu erwirtschaften, gegen die Westkonkurrenz hatten sie keine Chance. Und die Treuhandanstalt hatte nie Sanierungen im Sinn. Ihre einzige Aufgabe war es, möglichst schnell möglichst viele Staatsbetriebe zu verkaufen und noch ein wenig Geld damit zu erlösen. Das hat sich tief eingebrannt ins kollektive Gedächtnis im Osten.« [24]

Da hierbei vor allem Ideologien – sowohl auf Seiten der DDR als auch auf Seiten der BRD – eine Rolle gespielt haben, soll die Situation vor und nach Wende bezogen auf die vier Zwecke der Demokratie nun detaillierter erläutert werden, um schließlich unideologische Vorschläge zur aktuellen Situation in Ostdeutschland machen zu können. Leitlinie soll hier der Vorschlag der sächsischen Gleichstellungsministerin Petra Köpping sein:

»Der Osten darf nicht länger als ein nachträglich zu erziehendes, missratenes Kind betrachtet werden. Es geht darum, zu verstehen, was in den 90er-Jahren schiefgelaufen ist. Nur so kann man Konzepte entwickeln, wie den negativen Nachwirkungen bis in die Gegenwart erfolgreich begegnet werden kann.« [5, S. 126]

 

Der Zustand in Ostdeutschland vor und nach der Wende

Beginnen wir hierzu mit dem wahrscheinlich bekanntesten Kritikpunkt an der DDR, nämlich dass diese weniger die »Deutsche Demokratische Republik« war, sondern eher die »Deutsche Diktatorische Republik«. Dies betrifft die beiden Bereiche »politische Herrschaft« und »exzessive Autorität«, die in der DDR durchaus so kritisch zu sehen sind, dass man den Staat zurecht als Diktatur bezeichnen kann:

»Die Herrschenden in der DDR waren geradezu zwanghaft kontrollbesessen. Demonstrative Aktionen aller Art sollten schon im Keim erstickt werden [...]. Nichts fürchtete die SED-Regierung mehr als öffentliche ›Zusammenrottungen‹. Darum ließ das DDR-Innenministerium zusammen mit dem Ministerium für Staatssicherheit Anfang der Achtzigerjahre das ›Operative Fernsehen‹ aufbauen. Es ging um eine Kombination der fest installierten Außenkameras mit am Boden beweglichen Kamerateams der Stasi.« [25]

Auch die Telefone von vermuteten Gefährdern wurden abgehört und diese teilweise auch ohne konkreten Grund »gekascht«, wie folgendes Abhörprotokoll des Oppositionellen Werner Fischer zeigt wo er sich bei seiner Mutter Erna Fischer beklagt, die gleichzeitig SED-Mitglied war:

»Auf der Straße weggefangen, weil sie meinten, weil sie mich abends nicht zu einer Veranstaltung lassen wollten, zu der ich im Übrigen gar nicht hinwollte. In irgendeiner Kirche war eine Veranstaltung, und sicherheitshalber haben sie mich vorher weggekascht.« [nach 26]

Das Spitzelsystem kann allerdings nicht als »totalitär« bezeichnet werden, denn »tatsächlich sammelten große Teile der DDR-Bevölkerung […] keine direkten Erfahrungen mit der Staatssicherheit oder empfanden den Kontakt nicht als Belastung« [27, S. 54].

Eine politische Änderung der Situation durch Wahlen war nicht gegeben: Diese gab es dem Namen nach zwar, aber zu wählen gab es nur die »Nationale Front«, eine Einheitsliste aller Parteien, die von der Regierung selbst vor der Wahl erarbeitet wurde und somit automatisch eine Mehrheit für die SED erhielt – ein DDR-Bürger konnte diese Liste dann durch »Zettel falten« bestätigen (d.h. den Wahlzettel ohne Änderungen abzugeben) oder musste unter vergleichsweise hohem Aufwand die Personen von der Liste streichen, die er nicht in der Regierung sehen wollte, was in solchen Fällen schlussendlich nur als Gegenstimme gezählt worden ist [vgl. 28].

Was den Bürgern der DDR dagegen zugestanden wurde, war

»die Möglichkeit der Eingabe. Das waren Vorschläge, Hinweise, Anliegen und Beschwerden an den Rat des Kreises, den Rat des Bezirks oder gar den Staatsrat. Man gab quasi fein formuliert seine Bedenken bei der offensichtlich zuständigen Stelle ab. [...] Mehr ging fast nicht.« [5, S. 92]

Dass hierüber durchaus auf unterster Ebene etwas bewirkt werden konnte, zeigt Historikern Kerstin Brückweh vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) am Beispiel Wohnungen:

»Nutzerinnen und Nutzer von Wohnraum in der DDR verhielten sich im Grunde wie Eigentümer. Das heißt, die hielten Wohnungen instand, renovierten, reparierten, bauten an und um. Einige kauften auch Eigenheime in der DDR und versuchten, die neuen Besitzverhältnisse ins Grundbuch eintragen zu lassen. Wenn sie damit nicht erfolgreich waren, schrieben sie Eingabe, eine in der DDR gesetzlich geregelte Form von Beschwerdebriefen. Der Staatssozialismus hat also mit der grundlegenden Idee von Privateigentum im Alltag nicht gebrochen.« [27, S. 21–22]

Der private Bereich, über dem wir uns nun in Richtung wirtschaftliche Teilhabe bewegen, war sogar so stark geachtet, dass in den Volkseigenen Betrieben (VEB) permanent beide Augen zugedrückt wurden, wenn ein DDR-Bürger dort etwas zur privaten Nutzung schaffen wollte – und das, obwohl sie offiziell der Regierung untergeordnet waren. So gibt der Leipziger Autor Ralph Grüneberger der ZFF-Forschergruppe folgende Rückmeldung:

»›Privat geht vor Export‹ war in den volkseigenen Betrieben eine übliche Praxis, und in so mancher Spät- und Nachtschicht entstanden, in Ermangelung von Kaufangeboten, Hollywood-Schaukeln für den Schrebergarten oder ganze Grundstückszäune für das Eigentum.« [29, S. 82]

Dass Privatpersonen als Handwerker o. dgl. tätig werden und somit auch Aufgaben zu übernehmen, für die eigentlich die eigene Gemeinde zuständig war, wurde sogar ausdrücklich politisch motiviert und von den Handelnden als positiv wahrgenommen. So

»bemühten sich zum Beispiel die Wohnraumverwaltungen, die Menschen zur Instandhaltung öffentlicher Räume wie etwa Spielplätze oder Vorgärten zu motivieren. […] Am Beispiel des Heimwerkens lässt sich veranschaulichen, dass viele Menschen trotz dessen staatlicher Politisierung vor 1989 ihre Erfahrungen damit rückblickend als selbstbestimmtes Handeln interpretieren. Das heißt, in vielen Erzählungen schwingt ein gewisser Stolz über die selbst erbrachten Leistungen unter den schwierigen Versorgungsbedingungen der DDR mit.« [27, S. 47]

Die schwierige Versorgungslage bei Lebensmitteln wurde auf ähnliche Weise auf der privaten Ebene gelöst, wie Clemens Villinger vom ZZF in seinen Forschungen zum thüringischen Dorf Merxleben festmachen konnte:

»Eigenanbau von Obst und Gemüse, Tierhaltung sowie die Lagerung und Haltbarmachung von Lebensmitteln gehörten hier bis 1989/90 zum Alltag der meisten Menschen. […] Die Erzeugung eigener Lebensmittel ermöglichte eine gewisse Autarkie gegenüber staatlichen Verteilungsmechanismen und den damit verbundenen Problemen. Zum anderen dienten selbstproduzierte Lebensmittel nicht nur als Tauschmittel, sondern auch zur Erwirtschaftung von zusätzlichem Einkommen. Im Laufe der 1970er- und 1980er-Jahre entstand in der gesamten DDR ein Netzwerk staatlicher Ankaufstellen, die selbstproduziertes Obst und Gemüse zu hohen Preisen aufkauften und es anschließend im Handel für subventionierte Preise wieder verkauften. Auf diese Weise und über gezielte Maßnahmen zur Stärkung der ›individuellen Hauswirtschaft‹ wurden in der DDR die Pflege und der Gebrauch agrarischen Wissens gefördert.« [27, S. 29–30]

Auf diese Weise hatten beide Seiten Vorteile: Die DDR-Bürger konnten durch der eigenen Hände Arbeit an sonst nicht immer verfügbaren Produkten und Lebensmitteln teilhaben und dabei soagr noch ein Zubrot verdienen – und die DDR-Regierung konnte ihr Selbstbild vom »Arbeiter- und Bauernstaat« pflegen und gleichzeitig die unzureichende Versorgungslage umgehen, ohne dass sie dazu nicht vorhandene Mittel in die eigenen Staatsbetriebe investieren musste.

Allerdings begannen die Zweifel am System aufgrund der nicht zur realen Situation passenden wirtschaftlichen Berichtserstattung durch die Staatsmedien: Während die Menschen sich vor allem auf privater Ebene um ihre Versorgung kümmern mussten, »verloren die DDR-Medien [...] vor allem wegen ihrer positiven Berichterstattung über die angeblichen Erfolge in den Bereichen Handel und Versorgung während der 1980er-Jahre zunehmend an Glaubwürdigkeit« [27, S. 52]. Petra Köpping bezeichnete dies als »Not-Schicksalsgemeinschaft: Man brauchte eben die Bohrmaschine des Nachbarn, weil man selber keine hatte. Oder man benötigte eben einen guten Kontakt zum Mechaniker oder zu einem Fliesenleger.« [5, S. 94–95]

Diese Verteilung von Gütern »nach persönlichen Netzwerken oder politischen Privilegien […] empfanden viele Menschen in der DDR als ungerecht, da dies dem marxistisch geprägten Verständnis von Leistungsgerechtigkeit widerspreche« [27, S. 51].

Die Leistungsgerechtigkeit hat es unter dem Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« sogar in die DDR-Verfassung geschafft, wovon vor allem Frauen profitierten [vgl. 3, S. 160]. Hier sind wir nun im rechtlichen Themenfeld, das – sofern man die Klauseln zum bereits kritisierten Schutz der herrschenden Autorität auslässt – auch noch andere fortschrittliche Dinge beinhaltete: So wurden »die Rechte und Pflichten eines berufstätigen DDR-Bürgers [...] in einem eigens geschaffenen Arbeitsgesetzbuch geregelt« [3, S. 84] und es gab einen »Mindestlohn [...] von 50 Prozent des Durchschnittseinkommens« [3, S. 86]. Eingeführt wurde »im Strafrecht eine soziale Dimension, eingeführt wurden Bewährungsarbeit, öffentlicher Tadel, Schiedskommissionen« [3, S. 150]. Und insgesamt »gelobt werden muss die Verständlichkeit der DDR-Gesetzestexte – auch in den höchsten Rechtsaussagen« [3, S. 149].

Es galt sogar laut Wahlgesetz der DDR die Regel: »Die Stimmenauszählung ist öffentlich« [30] – dieses Gesetz haben Bürgerrechtler bei der Kommunalwahl vom 7. Mai 1989 angewandt, um festzustellen, inwiefern die Regierung die Wahlen genauso manipulierte wie die Berichtserstattung in den Staatsmedien. Die Bürgerrechtler kamen dann auf 7 % Gegenstimmen zur Einheitsliste, statt den vom Politbüro verkündeten 1 % – die Bürger regte daran nicht nur die nun bestätigte Vermutung der Manipulation auf, sondern vor allem, dass die SED schon wegen so einer geringen Größenordnung kriminellen Aufwand betrieb. Es hagelte Eingaben und Klagen gegen die Regierung und die Proteste rissen nicht mehr ab [vgl. 30].

Während sich jene, die sich von der DDR-Regierung betrogen fühlten, auf Umwegen wie über Ungarn die DDR zu verlassen suchen, kam es zu Aufrufen zur demokratische Erneuerung der DDR, begonnen durch die »Iniative Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung (IAPPA)« am 13.08.1989 [vgl. 31]. Es folgten am 04.09.1989 die erste Montagsdemonstration in Leipzig und kurz danach Gründungen von Bürgerbewegungen: am 09./10.09.1989 das Neue Forum, am 12.09.1989 Demokratie Jetzt, am 14.09.1989 der Demokratische Aufbruch [vgl. 32]. Anfangs kleine Demonstrationen wurden sukzessive größer – und noch versuchte der Staat, die Protestierenden einzuschüchtern. Als am 02.10.1989 Leipziger Demonstranten von der Volkspolizei eingekesselt worden waren, berichtete der Schriftsteller Martin Jankowski, dass sich die Situation durch Rufe von »Keine Gewalt!« und »Wir sind keine Rowdys! Wir sind das Volk!« löste, ohne dass sie eskalierte [vgl. 33]. Diese Ausrufe wurden nun zu den Leitmotiven der Protestierenden.

Als wenige Tage später zum 40. Jahrestag der DDR am 07.10.1989 in der vogtländischen Stadt Plauen die erste Großdemonstration entstand [vgl. 34], wurde SED-Führung vom zu den Feierlichkeiten geladenen sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow gewarnt: »Wenn wir zurückbleiben, bestraft uns das Leben sofort« [nach 35]. Damit war dem Regime klar, dass sie keinen Rückhalt aus dem Bruderstaat bekommen würden, wenn sie versuchen würden, die Proteste gewaltsam niederzuschlagen – und sie blieben ebenfalls gewaltfrei.

Entsprechend blieb auch die nachfolgende Leipziger Montagsdemonstration vom 09.10.1989 friedlich. Diese ist auch deswegen hervorzuheben, da sich zu dieser ein Flugblatt des Arbeitskreises Gerechtigkeit erhalten hat, in welchem auch in einer Abwandlung des Mottos der Woche zuvor an die staatlichen Sicherheitskräfte appelliert wird, sich zurückzuhalten:

An die Einsatzkräfte appellieren wir:
- Enthaltet Euch der Gewalt !
- Reagiert auf Friedfertigkeit nicht mit Gewalt !
W I R   S I N D   E I N   V O L K !
Gewalt unter uns hinterläßt ewig blutende Wunden ! [nach 36]

Nachdem diese Protestaktion friedlich ausging, wird am 18.10. SED-Generalsekretär Erich Honecker »auf eigenen Wunsch von allen Ämtern entbunden« [nach 37] und durch Egon Krenz ersetzt. Unter diesem kam es wenige Wochen später, am 04.11.1989, zur ersten offiziell genehmigten Großdemonstration auf dem Berliner Alexanderplatz. Nachdem dort über eine halbe Million Menschen erscheinen, treten am 07.11. der DDR-Ministerrat und am 08.11. auch das SED-Politbüro zurück [vgl. 37].

Das Zentralkommitee der SED berät am nächsten Tag über diverse Punkte – darunter eine neue Reiseregelung, die vom Oberst der Volkspolizei, Gerhard Lauter, eigenmächtig verfasst wurde, um die Situation zu entschärfen [vgl. 38]. Obwohl sie nicht abgesprochen war, passiert die Regelung das Komitee ohne Beanstandung und SED-Pressesprecher Günther Schabowski fällt die Aufgabe zu, dies bei einer abendlichen Pressekonferenz zu verkünden – nur ist ihm vom Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz nicht mitgeteilt worden, dass die Regelung erst ab 10.11. gilt. So stammelt der sichtlich gestresste Sprecher auf Nachfrage vor sich hin, der Fall sei dies »ab sofort, unverzüglich« [38]. Da diese Botschaft live im Fernsehen übertragen wird, strömen die Berliner

»in den folgenden Stunden in Scharen an die Grenzübergänge. […] Es herrschen Improvisation und Spontaneität statt Kontrolle und Gehorsam. Was sich Politiker beider Seiten nicht vorstellen können, nehmen die Menschen in Berlin selbst in die Hand. [...] Der Fall der Mauer vollzieht sich hinter dem Rücken und jenseits der Absichten aller Politiker und Staatsorgane.« [38]

Während die nachfolgenden Tage tausende DDR-Bürger ihren Fuß auf BRD-Gebiet setzten, schrieb der Bild-Kommentator Herbert Kremp die folgenden Zeilen: »›Wir sind das Volk‹ rufen sie heute – ›Wir sind ein Volk‹ rufen sie morgen!« [nach 39]

Aufgrund der hohen Reichweite der Zeitung bekam nun das eigentlich der zum Einbeziehen der Sicherheitsorgane in die Demokratisierung Ausspruch einen komplett anderen Rahmen – nämlich den Anspruch auf die Wiedervereinigung Deutschlands. Sofort »notiert Peter Radunski, Chef der Öffentlichkeitsarbeit der Bundes-CDU, in seiner Kladde: Thema Wiedervereinigung jetzt besetzen!« [nach 39]. Radunski selbst lässt die kurzfristig erfolgte Umsetzung des Aktionsplans seiner Partei wie folgt Revue passieren:

»Wir haben das nicht zentral gemacht, aber wir haben sehr frühzeitig gewissermaßen die Aufgaben aufgeteilt: ihr Hessen, ihr kümmert euch um Thüringen beispielsweise, ihr Württemberger um Sachsen. Wir haben sie alle gebeten, helft. Und dabei sind sicher auch Junge-Unions-Leute nach den einzelnen Teilen der DDR gekommen und haben sicher da auch die Wandzeitung oder das Plakat ›Wir sind ein Volk‹ hochgehalten.« [39]

Entsprechend gab es dann schon am 13.11., bei der ersten Leipziger Montagsdemonstration nach dem Mauerfall, politische Einflussnahme auf die DDR-Bürger von Seiten der westdeutschen Parteien. So erinnert sich der Leipziger Bahnlehrling Matthias Karkuschke:

»An dem besagten 13.11. waren auch schon Stände von Westparteien, die halt ihre Plakate oder sonstiges Informationsmaterial feilboten, dabei. [...] Die Stimmung am 13.11 war halt schon so, dass die Wiedervereinigung dort ne Rolle spielte und das da Leute einfach auch dabei waren, die genau in diese Richtung Dinge initiierten. Und wo dann auch gesagt wurde ›Wir sind ein Volk!‹ oder ›Wir sind das Volk!‹. Und diese Sprüche wechselten sich halt schon ab. Das ist in meiner Erinnerung so präsent […] weil die Stimmung ne komplett andere war.« [nach 39]

Die Demokratiebewegungen in der DDR versuchten im Gegenzug »ein hochriskantes politisches Experiment ohne Netz oder doppelten Boden: [...] Konnte das Volk der Diktatur die Macht auf dem Verhandlungswege abringen?« [40]. Die Bürgerrechtler schalteten die Kirchen der DDR als Vermittler ein, die dann am 22.11.1989 Vertreter der Bürgerbewegungen und der Regierung an einen »Runden Tisch« nach polnischem Vorbild einluden – Generalsekretär Krenz versuchte die Flucht nach vorn und nahm an. Für ihn scheiterte das aber daran, dass die Ost-CDU, ermuntert durch ihre westdeutschen Parteikollegen, ihm kurz darauf die Gefolgschaft im Allparteien-Block aufkündigte, sodass nicht nur der Machtanspruch der SED aus der DDR-Verfassung gestrichen wurde, sondern am 03.12. auch deren Zentralkomittee und Politbüro aufgelöst wurden – Krenz war seinen Posten los und der bereits am 17.11. noch von der alten Volkskammer gewählte Ministerpräsident Hans Modrow bekam die Macht des Regierungschefs übertragen [vgl. 37 & 40].

Da dies natürlich auch ohne Wahl durch Bevölkerung abgelaufen war, war dies auch die erste Forderung des erstmals am 07.12.1989 zusammengekommenen Zentralen Runde Tisches – diese wurde angenommen und der Termin auf den 06.05.1990 festgesetzt. Weitere Themen waren die Ausarbeitung einer neuen DDR-Verfassung und die Aufarbeitung der Stasi [vgl. 41]. Letzterer stimmt Modrow nach Stürmung der Stasi-Zentrale durch Berliner Bürger am 15.01.1990 zu – und am 28./29.01.1990 kommt es durch die darauffolgende Einbindung von Vertretern des Runden Tisches als »Minister ohne Geschäftsbereiche« zu einer »Regierung der Nationalen Verantwortung«, die am 05.02.1990 ihre Arbeit aufnahm [vgl. 40].

Während dieser Sitzung gab es aber auch Hinterzimmer-Gespräche zwischen Modrow und Ibrahim Böhme, dem Vorsitzenden der zwischenzeitlich in der DDR neu gegründeten SPD, in dem beide ohne Einbeziehung des Runden Tisches – an dem Böhme beteiligt war – das Vorziehen der Wahl auf den 18.03.1990 aushandelten. Die zu PDS umbenannte SED hatte dadurch noch die Chance, nicht ganz unter die Räder der Geschichte zu kommen, und die SPD versprach sich dadurch bessere Chancen auf einen Wahlsieg, den ihm Meinungsumfragen bescheinigten – bevor die CDU-Kampagnen zu Einheit von Land und Währung noch mehr Wirkung zeigten als ohnehin schon [vgl. 40].

Kurz vorher, am 19.01.1990, hatte die westdeutschen SPD-Abgeordnete Ingrid Matthäus-Meier Vorschläge zur Währungsunion veröffentlicht [siehe 42], die dann auch schnell von CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl aufgegriffen und als Lösung für die desolate Wirtschaftslage präsentiert wurde. »›Wir sind ein Volk‹ wird zum Motto der ›Allianz für Deutschland‹ im letzten Volkskammerwahlkampf. Von Mitte Januar 1990 an wird er in der DDR flächendeckend plakatiert.« [39]

Als Folge stand bei der Leipziger Montagsdemonstration am 29.01.1990 erstmals die Deutsche Einheit im Zentrum [vgl. 40]. Selbst DDR-Oberhaupt Modrow machte wenige Tage spätere eigene konkrete Vorschläge zur Deutschen Einheit über die Schritte Vertragsgemeinschaft, Konföderation und Gesamtstaat durch Wahlen in beiden Teilen der Konföderation [vgl. 43].

Die Vertreter des Runden Tisches befürchteten nun, dass unter dem übermächtigen Bild von Nation und Wohlstand ihr eigentlicher Zweck unter die Räder geraten wird und schrieben in ihrem Beschluss vom 12.02.1990 folgenden Aufruf:

»Wir bitten alle sozial gesinnten Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und in Westberlin um Solidarität. Verhindern Sie mit allen demokratischen Mitteln, dass durch einen Einmarsch der Westmark die demokratische Entwicklung in unserem Land abrupt unterbrochen wird.« [44]

Doch dies verhallte ungehört: Denn bis zu den Wahlen einen Monat später haben die Vertreter der westdeutschen Parteien (darunter CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl persönlich) direkt in den ostdeutschen Wahlkampf eingegriffen:

»Alte Blockparteien wie CDU und LDPD [...] waren auf Wiedervereinigungskurs umgeschwenkt und hatten sich starke Westpartner gesucht. Solch geballter Organisationsmacht aus Ost- und West-Establishment hatten die gerade den Kirchenkellern entstiegenen basisdemokratischen Initiatoren des Runden Tisches nicht viel entgegenzusetzen [...]: Am 18. März stimmten gerade einmal 2,9 Prozent der DDR-Wähler für die zum ›Bündnis 90‹ zusammengeschlossenen Bürgerbewegungen, die Grüne Partei der DDR erhielt 1,8 Prozent. Auch die Ost-SPD hatte sich verrechnet; sie kam mit 21,9 Prozent auf weniger als die Hälfte der konservativen ›Allianz für Deutschland‹, geführt von der gewendeten Ost-CDU. Die PDS erhielt immerhin jede sechste der 11,5 Millionen Wählerstimmen und erreichte 16,4 Prozent.« [40]

Die ›Allianz für Deutschland‹ (Ost-CDU, DSU und Demokratischer Aufbruch), die für eine möglichst schnelle Vereinigung war, luden dann auch »nur Sozialdemokraten und Liberale zu einer großen Koalition ein. Führende Köpfe der Bürgerbewegung, die den Impuls für die friedliche Revolution gegeben haben, bleiben außen vor und nehmen ebenso wie die Vertreter der SED-Nachfolgepartei PDS auf den Oppositionsbänken Platz« [45]. Unter DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière kam es dann auch bereits am 01.07.1990 zur Währungsunion zwischen beiden Staaten, am 22.07.1990 zum Wiederentstehen der ostdeutschen Länder und am 23.08.1990 zum Beschluss, der Bundesrepublik beizutreten, welcher dann am 03.10.1990 umgesetzt wurde [vgl. 37].

Warum nun, 30 Jahre später, nur 38 % der Ostdeutschen die Wiedervereinigung durch Beitritt für gelungen halten [vgl. 9], lässt sich in der harschen Kritik von Matthias Krauß zusammenfassen:

»Wer […] aus dem Begriff Einigungsvertrag ableitet, dass damit eine gütliche Einigung, ein Ausgleich bei Streitfragen, ein Interessenausgleich gemeint war, der irrt. In diesem umfangreichen Vertragswerk ist festgehalten, in welcher Form, nach welchen Regeln der Osten sich anzuschließen hatte. Das reale Kräfteverhältnis der Verhandlungspartner, die historische Situation, die keinen anderen Ausweg zuließ, verliehen ihm von Anfang an den Charakter eines Diktats.[…] Das daraus resultierende Problem ist alt: Gleiches Recht, auf ungleiche Bedingungen angewendet, muss Unrecht erzeugen.« [3, S. 18–19]

Die entstehenden Ungerechtigkeiten lassen sich wiederum anhand der vier Zwecke der Demokratie erläutern. Das Thema Einigungsvertrag leitet dabei direkt auf den rechtlichen Bereich hin.

Wird das Land DDR mit dem Begriff »Recht« kombiniert, geschieht dies meist auf negative Weise: die DDR als »Unrechtsstaat« (und im Gegenzug die BRD als »Rechtsstaat«). Dass dieser Begriff schon in Richtung Propaganda reicht, wird klar, wenn man andere aktuelle und historische Regime mit der DDR vergleicht:

»Beim beinahe verzweifelten Versuch, der DDR das Unrechtsstaats-Etikett überzuhelfen, ist vor allem interessant, dass die DDR, ausschließlich sie mit diesem Verdikt belegt wird. Warum nicht China […]? Fiel dieser Begriff je für das Chile Pinochets, das Apartheitsregime Südafrikas? Nein, allein die DDR war der ›Unrechtsstaat‹«. [3, S. 241–242]

Noch bedenklicher wird diese Einstufung, wenn man bedenkt, dass »keines der dazu befugten internationalen Gremien (UNO) […] die DDR jemals der Verletzung der Menschenrechte bezichtigt« [3, S. 148] hat – im Gegensatz anderen eben genannten Staaten. Entsprechend gibt ZFF-Direktor Martin Sabrow zu bedenken, dass

»der Terminus keine wissenschaftlich präzise Kategorie darstellt und in seiner Eindimensionalität noch hinter die Unterscheidung von Normen- und Maßnahmenstaat in Bezug auf den Nationalsozialismus zurückfällt. […] Um […] die DDR historisch zu erklären, reichen plakative Begriffe wie Totalitarismus und Unrechtsstaat nicht […]. Weil es sich um einen Staat handelte, der wahrhaftig vom ersten bis zum letzten Tag kein Rechtsstaat war, der aber gleichwohl Unrecht und Willkür nicht als politisches Prinzip verfolgte. Das unterscheidet den kommunistischen Weltentwurf vom nationalsozialistischen, der unverstellt Unterdrückung, Verfolgung und Ausmerzung zu staatlichen Handlungszielen erklärte. Diese kardinale Unterscheidung wird mit der Anwendung des Begriffs Unrechtsstaates auf die DDR verwischt.« [4]

Woher also der offensichtlich übertriebene Begriff? Der Ursprung lässt auf eine Forderung des Bundesjustizministers Klaus Kinkel (FDP) von 1991 zurückführen:

»Ich baue auf die deutsche Justiz. Es muss gelingen, das SED-System zu delegitimieren, das bis zum bitteren Ende seine Rechtfertigung aus antifaschistischer Gesinnung, angeblich höheren Werten und behaupteter absoluter Humanität hergeleitet hat, während es unter dem Deckmantel des Marxismus-Leninismus einen Staat aufbaute, der in weiten Bereichen genau so unmenschlich und schrecklich war wie das faschistische Deutschland, das man bekämpfen wollte und – zu Recht – nie mehr wieder erstehen lassen wollte« [nach 3, S. 243].

Vom Justizminister höchstpersönlich kam also die Vorgabe, dass die DDR nicht viel besser als Hitlerdeutschland gewesen sein konnte bzw. eingestuft werden durfte. Es sollte nicht bloß geschehenes Unrecht gesühnt werden, was der Zweck eines guten Rechtsstats ist, sonders das gesamte »System« abgewertet werden, das unter der SED entstanden ist:

»Im Zweifelsfall eben nicht für den Angeklagten. Die letztlich vorliegende Bilanz zehn Jahre später ist geradezu schockierend: Die ungeheure Zahl von 73 000 Ermittlungsverfahren gegen DDR-Hoheitsträger jeder Ebene führten zu gerade einmal 1500 Anklagen. Nur gut ein Zehntel davon, das heißt 187, endeten mit einem Urteil. Davon lauteten 66 auf Freispruch. Bleiben genau 121 Urteile, die nicht auf Freispruch hinausliefen, sondern auf Strafen von Bewährung bis Haft.« [3, S. 143–144]

Bemerkenswert ist hier vor allem, »dass die verhängten Strafen gegen die verurteilten SED-Funktionäre so merkwürdig geringfügig waren, obwohl doch das, was ihnen die Richter vorwarfen, so grauenhaft und ungeheuerlich gewesen sein soll, dass es auf einer Ebene mit den Nazi-Verbrechen gestanden haben muss. […] Bei der Verhandlung wurden die Angeklagten als Hyper-Verbrecher behandelt, bei der Urteilsverkündung wurden sie wieder auf die Ebene von Kleinkriminellen zurückgestuft.« [3, S. 141]

Dies widerlegt den propagierten SED-Unrechtsstaat zumindest juristisch. Was blieb? »Von Medien, Politkern und neuen Chefs wurde uns Ostdeutschen vermittelt, letztendlich im ›falschen Land‹ aufgewachsen zu sein.« [5, S. 77]. Dies gilt bis heute – für einen Rechtsstaat ist dies durchaus fragwürdig zu sehen.

Doch nicht nur bei der SED wurde die Delegitimation versucht – weit stärker eingebrannt ins kollektive Gedächtnis hat sich z.B. das Vermögensgesetz, in dem festgelegt wurde,

»dass nach dem Grundsatz ›Rückgabe vor Entschädigung‹ Häuser möglichst an die alten Eigentümerinnen und Eigentümer zurückgegeben und diese nur im Notfall entschädigt werden. […] Entschieden wurde anhand der Grundbuchblätter, diese waren aber […] in der DDR nicht verlässlich geführt worden. […] Es ging […] um die Frage, ob die rechtliche Fixierung im Grundbuch höher bewertet werden sollte als die ostdeutsche Pflege des Eigentums.« [27, S. 26]

Hierzu soll ergänzt werden, dass auf die Grundbücher in der DDR auch deswegen kein hoher Wert gelegt wurde, da Haus und Boden zu jener Zeit sauber getrennt wurden, d.h. man konnte ein Haus kaufen, aber nicht das Grundstück dazu [vgl. 27, S. 26]. Was aber nach der Wende gestellte Rückgabeforderungen angeht,

»sind bei den zuständigen Ämtern zur Regelung offener Vermögensfragen in den 1990er-Jahren mehr als zwei Millionen Anfragen eingegangen […]. Die Zahl ist erheblich, wenn man bedenkt, dass 1989 etwa 16 Millionen Menschen in der DDR lebten und ein Antrag meist ein Haus oder ein Grundstück betraf, welches häufig nicht nur eine Person bewohnte. […] Fast die Hälfte der Anträge und damit der größte Teil (49 Prozent) wurde abgelehnt. In weiteren 14 Prozent der Fällen waren die Anträge zurückgenommen worden. Für 22 Prozent gab es Rückübertragungen, in je fünf weiteren Prozent wurde die staatliche Verwaltung aufgehoben oder eine Entschädigung festgesetzt. Die noch verbleibenden fünf Prozent wurden unter ›sonstige Erledigungen‹ zusammengefasst.« [27, S. 43–44]

Doch selbst wenn ein solcher Rechtsstreit schlussendlich erfolgreich war: Es »endeten viele Verfahren […] erst nach schier endlosen Jahren quälender Rechtsstreite und immer neuer Gesetzesänderungen. Jahre, in denen die Besitzer nicht davon ausgehen konnten, dass sie das Haus, in dem sie lebten, auch behalten dürfen. […] Ihren Glauben an den Rechtsstaat verloren« [7, S. 223] in diesen Jahren viele Betroffene.

Einen, langfristig viel schlimmeren Schaden nahm das Vertrauen der Ostdeutschen aufgrund der flächendeckend auftauchenden Betrüger:

»Wie viele von uns Ostdeutschen wurden damals mit überteuerten, schrottreifen Gebrauchtwagen, unnützen Versicherungen oder unseriösen Geldanlagen über den Tisch gezogen? Oder von Antikmöbelhändlern, die das Unwissen der Leute ausnutzten und hängerweise Mobiliar aus den ostdeutschen Städten und Dörfern wegfuhren? Das hinterließ manchmal erst viel später ein Gefühl der Demütigung« [5, S. 31].

Köpping fügt später in ihrem Buch hinzu: »Es gibt unzählige Beispiele, wie damals Menschen über den Tisch gezogen wurden, weil sie – oftmals zutiefst gutgläubig – die neuen Regeln nicht überblicken konnten« [5, S. 100]. Natürlich kann der Betroffene sich einen Anwalt nehmen, aber dies »bietet keine Gewähr dafür, dass die Dinge dieses Lebens ›gerechter‹ oder gar ›besser‹ ablaufen. Es wird vor allem teuer« [3, S. 143]. Immerhin galt nun »ein Recht von Juristen für Juristen und Verständlichkeit wird nicht einmal angestrebt« [3, S. 149].

Während die Betrüger dem Einzelnen wirtschaftlichen Schaden verursachen, wird der wirtschaftliche Niedergang im gesamten Ostdeutschland von den Menschen dort vor allem mit dem Begriff »Treuhand« verbunden, der aber vor allem in Westdeutschland kaum bekannt ist:

»Die Treuhand wurde […] zum negativen Gründungsmythos Ostdeutschlands, der neben dem positiven Gründungsmythos der »Friedlichen Revolution« stand. Doch während die »Friedliche Revolution« Jahr um Jahr gefeiert wurde, schwieg man über die Treuhand.« [5, S. 19]

Die Treuhand ist Anfang März 1990 noch unter Modrows »Regierung der Nationalen Verantwortung« entstanden und die als Anstalt öffentlichen Rechts dafür sorgen sollte, dass alle Volkseigenen Betriebe entweder zu GmbHs oder zu AGs umgewandelt werden, deren Geschäftsanteile dann die Treuhand besitzt – nach 3 Monaten sollte ein Aufsichtsrat entstehen, der sich zu 4 Treuhändern, 4 Personen aus der Belegschaft und einem gewählten Mitglied vertreten wird [vgl. 46]. Auf diese Weise

»wollte man verhindern, dass sich die ehemaligen SED-Eliten die Filetstücke aus dem damaligen Volksvermögen herausschnitten und überhaupt das Volksvermögen anderweitig verlustig ging. Und in der Tat, schaut man nach Osteuropa, so finden sich dort heute überall reiche Oligarchen, die sich in der damaligen Nachwendezeit durch Korruption, Vetternwirtschaft, Skrupellosigkeit und kriminelle Machenschaften Firmen-Imperien sicherten.« [5, S. 19]

Kurz darauf erfolgte die Währungsunion unter folgender Vorstellung auf beiden Seiten: »Man dachte, es läuft wie 1948: Man macht eine Währungsreform, dann sind die Schaufenster wieder voll, und das Wirtschaftswunder kommt. Sehr schnell merkte man jedoch, genau das funktioniert nicht.« [5, S. 20]

Die Ursache dafür, warum das ostdeutsche Wirtschaftswunder nicht eingetreten ist, lässt sich mit der unterschiedlichen Binnenkaufkraft der beiden Währungen erklären: »Mit 300 DDR-Mark konnte man in der DDR problemlos einen Monat überstehen, mit 300 D-Mark ging das im vereinigten Deutschland nicht. Hier ging den Ostdeutschen ein gewaltiges finanzielles Polster verloren.« [3, S. 164]

Warum sich trotz nomineller Gleichwertigkeit der Währungen man mit der D-Mark schlechter über die Runden kam? »Für jeden Ostdeutschen wurde 1990 die erzwungene Ausgaben- und Kostenstruktur auf den Kopf gestellt. Grob gesagt: Alles was zu DDR-Zeiten billig war, wurde jetzt teuer. Und alles, was vor der Wende teuer war, wurde billig« [3, S. 179]. Billiger wurden z.B. praktische Konsumgüter wie Fernseher oder Waschmaschinen [27, S. 33], teurer wurden die laufenden Kosten wie z.B. Mieten, da der in der DDR gesetzlich festgelegten Mietbereich zwischen 0,80 und 1,30 DDR-Mark/m² natürlich nicht zur Instandhaltung der Wohnungen reichte [vgl. 27, S. 39–40].

Da sich die laufenden Kosten über die Zeit ansammeln, mussten diese nun irgendwie erwirtschaftet werden. Hatte die CDU-Regierung Konzepte, wie sie dies zu bewerkstelligen dachte?

»Das einzige, was vorlag, war ein dürres Essay des ›Vaters der Sozialen Marktwirtschaft‹, Ludwig Ehrhardt, von 1953, in welchem jener sich für eine Schocktherapie im Falle einer Wiedervereinigung ausgesprochen hatte: Markt und Manager sollten den Umbau gestalten, die Politik sollte sich hingegen aus dem wirtschaftlichen Umbau heraushalten.« [5, S. 111]

Allerdings konnte sich die Politik nicht ganz heraushalten, da es ja auch nach der Wiedervereinigung die Treuhand als Anstalt öffentlichen Rechts gab – die bundesdeutsche Regierung musste sie also übernehmen und führen, wollte aber auch das heiße Eisen, d.h. die der Treuhand zugeordneten Betriebe, schnellstmöglich loswerden. So

»wurde die Treuhand bewusst politisch so besetzt und ausgerichtet, wie es die wirtschaftsliberale Bundesregierung von CDU und FDP wollte. Der Osten wurde zum Versuchsfeld neoliberaler Politik in einer Art, die damals im Westen auf heftigsten Widerstand gestoßen wären. […] Konservative Hardliner […] frohlockten […], endlich ohne Gewerkschaften, gesellschaftliche Beteiligung und ›Sozial-Klimbim‹ ihre nationalliberale Agenda politisch durchsetzen zu können.« [5, S. 20]

Was es aber nicht mehr gab, war ein wichtiger Aspekt, der noch im DDR-Treuhandgesetz zu finden war, nämlich die Beteiligung der Mitarbeiter an der Firma – dies passte nicht in die neoliberale Ideologie: »Die wenigsten Belegschaften konnten bei der Zukunftsplanung ihres Betriebes mitreden« [5, S. 29]. Stattdessen nutzten

»Westdeutsche aus der dritten Reihe [...] die Deutsche Einheit, um Posten im Osten zu besetzen oder zu ergattern, die sie im Westen nie bekommen hätten. Warum sollte man sich die Mühe machen, ostdeutsche Führungskräfte zu coachen oder ihnen Mentoren beiseitezustellen, wenn man hungrige junge Westdeutsche zur Verfügung hatte, die natürlich die Posten gern selbst übernahmen?« [5, S. 108–109]

Diese Bevorzugung der – sich aufgrund ihres schnellen Aufstiegs auch überheblich darstellenden – Westdeutschen »wurde früh kritisiert: ›Besserwessi‹ war schon 1991 ›Wort des Jahres‹« [24].

Und wenn es doch einmal einen Ostdeutschen gab, der einen Betrieb übernehmen wollte? »Ostdeutsche Gründer nahmen das volle Risiko auf sich und hatten gleichzeitig große Probleme, an Kredite zu kommen, während manch westdeutscher Glücksritter beinahe jede Förderung bekam – und nicht selten in den Sand setzte.« [5, S. 29–30]

Dass das in der ostdeutschen Bevölkerung verankerten Leistungsprinzips durchs Herkunftsprinzip ersetzt wurde, lässt sich mit der bereits beschriebenen juristischen Schlacht gegen das SED-System erklären:

»Es gab [...] Seilschaften alter Funktionäre und Stasi-Kader, die sich ebenfalls ihren Teil des Kuchens gesichert haben. Bewerber aus dem ehemaligen Ostmanagement, die das Ziel hatten, den ›Betrieb zu erhalten und unternehmerisch tätig zu sein‹, wurden bei der Treuhandanstalt auch deshalb pauschal kritisch beäugt. Man witterte überall rote Seilschaften. Potenzielle Käufer mussten sich von der Treuhandanstalt, Banken und der Stasi-Unterlagenbehörde untersuchen lassen. Die Folge ist bekannt: Von 1600 bis bis Ende April 1991 verkauften Betrieben gingen über 1500 an westdeutsche Unternehmen. Ausländische Unternehmen und ostdeutsche Interessenten kamen hingegen kaum zum Zuge. Bis 1994 fielen 80 Prozent des von der Treuhandanstalt verwalteten ehemals ostdeutschen Produktionsvermögens an Westdeutsche, 14 Prozent an Ausländer und sechs Prozent an DDR-Bürger.« [5, S. 101]

In dieser Situation wollten die Ostdeutschen ihren Konsum ebenfalls vorrangig der Herkunft nach stillen: »Ostdeutsche kauften nach der Währungsunion eine Zeit lang keine Ostprodukte mehr. Was aus dem Westen kam, konnte ja nur besser sein« [5, S. 43]. Als Folge ging ein Großteil der Betriebe in Ostdeutschland bankrott:

»Die westdominierte Politik hat […] diese Marktbereinigung gedeckt: […] Eine Gefährdung westdeutscher Arbeitsplätze durch vielleicht sogar staatlich geförderte Unternehmen im Osten? Das Szenario hatte keine Chance. Ostdeutsche Unternehmen als Sprungbretter ausländischer Unternehmen auf dem deutschen Markt? Genau das sollte verhindert werden.« [5, S. 28]

Auch bei der Marktbereinigung wurde im Zweifel nicht nachgeschaut, ob ein Unternehmen nicht doch sanierbar war, sondern anhand der Nachfrage für Westprodukte entschieden: »In der Rückschau erscheinen alle Unternehmen als bankrott oder ruinös. Doch es existieren eben sehr viele glaubhafte Berichte, dass manche dieser Unternehmen hätten gerettet werden können – und bei manchen Käufen westdeutsche Unternehmen nur den Markt bereinigten und sich so einer billigen Konkurrenz entledigten.« [5, S. 23]

Ob diese Marktbereinigung wirklich mit Absicht oder unter einer politischen Ideologie geschah oder nicht, lässt sich nun erst in den nächsten Jahren erforschen, denn die »Aktenbestände der Treuhand und von ihr abgewickelter Unternehmen, insgesamt mehrere Dutzend Kilometer lang […], waren [...] 30 Jahre komplett unter Verschluss und bis vor kurzem nicht zugänglich, weil die damalige CDU/FDP-Bundesregierung einen Großteil der Dokumente als Verschlusssache eingestuft hat.« [5, S. 39]

Natürlich gab es auch in Westdeutschland ganze Regionen, die sich deindustrialisierten, doch dort gab es – im Gegensatz zu Ostdeutschland – einen »Konsens […], eine einvernehmliche und soziale Lösung in den Regionen des Strukturwandels zu erreichen« [5, S. 21]. Ohne diesen kam es im Osten zur final traumatisierenden Massenarbeitslosigkeit unter der Bevölkerung:

»Die Massenarbeitslosigkeit war eine fürchterliche Gründungserfahrung. Unter ihrem Druck fand eine zuvor unbekannte Verrohung der Gesellschaft statt. Einstmals befreundete Kollegen wurden im Zuge von ›Säuberungen‹ und Massenentlassungen zu Handlungen gegeneinander getrieben. Die vietnamesische Kollegin wurde im Streit um den Arbeitsplatz über Nacht zur Feindin, die mit widerwärtigsten Mitteln bekämpft wurde, der Nachbar im Wettlauf um den Hauskauf zum existenziellen Konkurrenten. Es war ein überall in den neuen Ländern aufgeführtes Schauspiel, in dem sich Menschen gegenseitig die Existenzgrundlage abgruben […]. Darüber thronten Westdeutsche, die ihre Hände in Unschuld wuschen und an bestimmten Leuten noch so lange festhielten, bis die soziale Drecksarbeit erledigt war.« [3, S. 84]

Wer wollte und konnte – und das waren ein Viertel der Ostdeutschen – entfloh der Massenarbeitslosigkeit durch Migration nach Westdeutschland [vgl. 7, S. 219]. Wer blieb, konnte Erfolg haben, aber »selbst die ›Gewinner‹ haben den Schock in ihrem Umfeld gesehen und erlebt. So wie ein Autofahrer, der auf der Autobahn einen schweren Autounfall sieht und denkt: Das hätte leicht auch mich erwischen können« [8].

Und wer keinen Erfolg hatte, musste erkennen, dass er in den wenigen verbleibenden Betrieben leicht ersetzbar war. So gab es »eine Art ›unausgesprochenen Sozialpakt‹: Ich als Unternehmer sichere den Arbeitsplatz, im Gegensatz verzichten die Arbeitnehmer auf höhere Löhne und Mitbestimmungsrechte« [5, S. 53].

Auch auf das Gefühl der Selbstbestimmung nahm diese Entwicklung negativen Einfluss. So erinnert sich Ministerin Köpping an folgenden Satz, der ihr von einem Arbeiter mitgeteilt wurde: »Früher durfte ich auf Arbeit alles sagen, musste aber den Mund halten, wenn es gegen die Regierung ging. Heute ist es umgekehrt.« [5, S. 54]

Damit sind wir beim Bereich exzessive Autorität angekommen. Der Aussage des Arbeiters hat die Autorität nicht abgenommen, sondern sich lediglich vom politischen Bereich auf den wirtschaftlichen Bereich verlagert. Dies stimmt, wenn man den rechtlichen Bereich hinzu nimmt – immerhin brauchte man nach der Wiedervereinigung im Osten Menschen, die sich im nun dort geltenden BRD-Recht auskannten. So kamen

»rund 1 Million Westdeutsche […] aus den alten Ländern nach Ostdeutschland. Sie besiedelten natürlich nicht die sich entleerenden ostdeutschen Notstandsgebiete, sondern Zentren wie Berlin, Potsdam, Dresden oder Leipzig, sie stellen bis heute das Gros der Ministerialbürokratie, der Justiz-, Wissenschafts- und Wirtschaftselite, womit sich eine Diaspora in doppeltem Sinn ergab. Die Ostdeutschen lebten alsbald unter einer Oberschicht, die einem fremden Kulturbereich entstammte.« [3, S. 38]

Dieser neuen Oberschicht fielen auch viele Menschen zum Opfer, die politisch unverdächtig waren. So

»wurden an den Universitäten und Hochschulen die ostdeutschen Strukturen sehr umfangreich verändert und die Stellen von Westdeutschen besetzt. Tausende Wissenschaftler wurden ohne überzeugende Begründung entlassen – und eben nicht nur jene, die ›Marxismus-Leninismus‹ unterrichtet hatten. Die Verbitterung darüber sitzt bei den Betroffenen bis heute tief.« [5, S. 110]

Ähnliches geschah auch an Schulen. »So empfindet zum Beispiel ein interviewter Lehrer die Neubesetzung der Leitungspositionen an Schulen nach der »Wende« als politisch motivierte Stellenbesetzungen. Aus seiner Sicht habe dabei – genau so wie vorher in der DDR – das Parteibuch mehr gezählt als die fachliche Qualifikation.« [27, S. 35]

Dies war nun eine Art Autorität, derer sich die Menschen durch Flucht ins Private wie zu DDR-Zeiten nicht mehr entziehen konnten. Anders gesagt: Die Autorität ist weniger exzessiv geworden, wurde aber dafür breiter verteilt.

Was die Autorität im politischen Bereich anging, fusionierten schon vor den gesamtdeutschen Bundestagswahlen des 02.12.1990 die größeren westdeutschen Parteien CDU, SPD und FDP und Grüne mit ihren ostdeutschen Schwesterparteien [vgl. 47]. Übrig blieben als reine ostdeutsche Parteien das Bürgerbewegung des Bündnis 90 und die PDS. Da es aber für die Bundestagswahl – im Gegensatz zur freien Volkskammerwahl – eine Sperrklausel von 5 % gab, kam vom Bundesverfassungsgericht die Vorgabe, diese im Beitrittsgebiet und dem Gebiet der alten Bundesrepublik separat zu berechnen, um »die Chancengleichheit der kleineren ostdeutschen Parteien« [47] zu sichern. So kam nicht nur die PDS mit 11,1 % der ostdeutschen Stimmen in den Bundestag (in Westdeutschland war sie mit 0,3 % effektiv nicht existent), auch die Strategie des Bündnis 90 und den Grünen, eine gemeinsame Liste zu stellen, ging auf: Diese kam mit 6,2 % über die Hürde, während die westdeutschen Grünen mit 4,8 % knapp an dieser scheiterten. Allerdings blieb die bundesdeutsche Koalition aus CDU und FDP der Gewinner, wobei die fusionierte CDU mit 41,8 % im Osten schwächer war als im Westen, wo sie 44,3 % der Stimmen erhalten hat und dagegen die FDP im Osten mit 12,9 % stärker als im Westen mit 10,6 % [vgl. 47].

Somit gab es nun eine Handvoll basisdemokratisch orientierte Ost-Bürgerrechtler im gesamtdeutschen Parlament – und wir sind beim Bereich der politischen Teilhabe angelangt.

Wenn es ein Element gab, dass die Demokratie in bislang unbekannt hoher Form ermöglicht hatte, waren es die Runden Tische, an denen sich Vertreter von Demonstranten und Regierung über brennende Themen verhandelt haben. Diese gab es nicht nur auf Ebene der DDR-Regierung unter Modrow, sondern bis hinab in Bezirke und Kreise [vgl. 41]. Die Runde Tische wurden in der DDR »als eine basisdemokratische Sternstunde erlebt. Überall wurde über Politik und Demokratie geredet. Doch diese neu entstandene, junge, natürlich auch teilweise unerfahrene Bürgergesellschaft wurde nach 1990 nicht nur ignoriert. Sie wurde von den westdeutschen Politikprofis und der westdeutsch dominierten Realpolitik übergangen und zur Seite geschoben.« [5, S. 174]

Doch zumindest versuchte das Bündnis 90, zusammen mit der SPD über die Verfassungskommission zum Einigungsvertrag direktdemokratische Elemente ins Grundgesetz einzuführen – darunter das Plebiszit – doch sie bissen auf Granit [vgl. 48].

»Spätestens nachdem 1992 in der gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat von der Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP die Einführung einer Volksgesetzgebung verhindert worden war, zogen sich die ignorierten Bürgerrechtler mehrheitlich gekränkt zurück.« [5, S. 83]

Bleiben die Wahlen. Aber bis die nächsten Wahlen 1994 stattfanden, war der wirtschaftliche Kahlschlag in Ostdeutschland schon vollendet: Millionen Ostdeutsche waren arbeitslos, weitere Millionen nach Westdeutschland gegangen, weitere hunderttausend Ostdeutsche in Rechtsstreits verwickelt. Unter diesem Hintergrund wäre in rein ostdeutschen Bundestag die FDP mit 3,5 % schon nicht mehr vorhanden gewesen – völlig zurecht, wenn man sich an Kinkel und das neoliberale Experimentierfeld erinnert – und die mit 38,5 % ebenfalls geschwächte CDU hätte keinen Koalitionspartner mehr gefunden [vgl. 49]. Doch Kohls Strategie der Wiedervereinigung – »im Westen sollte sich möglichst nichts ändern« [5, S. 28] – war für ihn erfolgreich, sodass er nochmal mit der FDP regieren konnte. Als er 1998 abgewählt wurde und eine rot-grüne Koalition an die Macht kam, versuchte diese, ein Gegenmittel gegen die Arbeitslosigkeit zu finden:

»Die Agenda 2010 stammt aus einer Zeit, als wir in Deutschland fünf Millionen Arbeitslose und im Osten eine Arbeitslosigkeit hatten von 20 bis 30 Prozent. Auch aufgrund der Deutschen Einheit standen die Sozialsysteme unter enormen Druck. Die Reformen wurden in Politik und Gesellschaft maßgeblich nach neoliberalen Denkmustern vorangetrieben.« [5, S. 166]

Die Ostdeutschen haben im vereinigten Deutschland also die Erfahrung gemacht: Egal, welche Partei man wählt, am Ende kommt der Neoliberalismus oder blanker Machterhalt dabei raus. Hierzu schreibt der Schweriner Architekt Gottreich Albrecht:

»Für die Ostdeutschen kam die Parteienpluralität als Segen nach diktatorischer Einheitspartei. Die Verfallszeit dieser Art Parlamentarismus war für mich relativ kurz, ca. 10–15 Jahre. Es wuchs die Erfahrung und folglich die Überzeugung: Parteienpolitik ist überwiegend Machtkalkül- und Machterhaltpolitik und hat mit sinnvoller Sachpolitik zunehmend kaum mehr was zu tun.« [50, S. 77]

War die Wiedervereinigung nun gelungen, wenn man die vier Zwecke der Demokratie zur Beantwortung dieser Frage heranzieht? Um es kurz zusammenzufassen:

- Die rechtliche Teilhabe am Staat wurde durch die Bürgerbewegungen schon vor der Wiedervereinigung hergestellt. Nach dem Beitritt zur BRD wurde ein Recht eingeführt, dass vielleicht noch für Juristen verständlich ist – und die meisten Ostdeutschen gingen Betrügern auf dem Leim, welche die Situation auszunutzen wussten. Dies geschah zusätzlich zur pauschalen Herabwertung durch den Bundesjustizmister. In Rechtsprozessen zum Vermögensgesetz o.Ä. gingen den Menschen zum Teil schließlich viele Jahre verloren.

- Wirtschaftlich hatte man zu DDR-Zeiten zwar Vollbeschäftigung, aber so manche Gerätschaft ließ sich nur durch persönliche oder politische Kontakte erwerben. An die Marktwirtschaft hatten die Ostdeutschen dann die Erwartung gestellt, diese »organisiere sich, […] nach Einkommen und Leistungsbereitschaft und damit nach anscheinend ›objektiven« Kriterien‹. […] Eine gerechte Verteilung von Konsumgütern durch die Realisierung leistungsbasierter Mechanismen« [27, S. 51–52] werde gewährleistet. Doch im vereinigten Deutschland war der Zugriff auf die Konsumgüter durch der Massenarbeitslosigkeit dann für einen großen Teil der Menschen nicht mehr möglich. Diese ist zwar zurückgegangen, aber im Ostdeutschland des Jahres 2019 bestehen noch immer 800.000 Jobs weniger als 1991, in denen man zudem nur 83,5 % des westdeutschen Lohns erhält [vgl. 51]. Der ostdeutsche Kerngrundsatz der Leistungsgerechtigkeit wird also weiterhin ignoriert.

- Stattdessen kam es zum Austausch der Entscheidungsträger in Firmen und Bildungseinrichtungen, die sich auch als Oberschicht generierten. Die führte zu einer anderen Art Obrigkeitsstaat in Ostdeutschland, auch wenn dieser nicht mehr den politischen Bereich betrifft. Eine exzessive Autorität wurde sozusagen durch breite Verteilung vermindert.

- Im Bereich der politischen Teilhabe wurde eine Diktatur mithilfe von basisdemokratischen Runden Tischen abgeschafft. Doch letztere wurden im vereinigten Deutschland schnell beiseite gewischt – stattdessen haben die Ostdeutschen Wahlen erhalten, bei dem sie aber immer einen Neoliberalismus bekommen, der von allen Parteien getragen zu werden scheint – vielleicht mit Ausnahme der Linkspartei, der Nachfolgerin der PDS.

Nein, wenn man das vergleicht, was im Wendejahr bereits geschaffen wurde oder was die Ostdeutschen an jener Zeit für Ansprüche gestellt hatten, mit dem, was sie im wiedervereinigten Deutschland dann bekommen haben, war die Deutsche Einheit kein Erfolg. Die permanente Unzufriedenheit in Ostdeutschland ist damit gerechtfertigt.

Der ehemalige DDR-Bürgerrechtler Jens Reich schlägt hierfür eine sehr interessante Lösung vor, als er die Wende umreißt:

»Das Wahlergebnis war ein von 93 Prozent unterschriebener Auftrag an die Bundesrepublik: Macht Ihr die Vereinigung! Ihr habt die Erfahrung mit einem demokratischen Staat und wir vertrauen darauf. [...] Dann kam sehr schnell die Enttäuschung über die Folgen des Einigungsvertrages. Hunderttausende verloren nicht nur den Job, sondern ihre Biographien wurden völlig durchgeschüttelt. Und dann sagten viele: ›Dafür sind wir nicht auf die Straße gegangen‹ oder sie sagten: ›Das neue System ist uns übergestülpt worden‹. Ich denke, die meisten von ihnen haben dieses ›Überstülpen‹ am 18. März 1990 selbst gewählt. […] Der Parteienstaat, in dem wir leben […] schafft es offensichtlich nicht, in die politische Willensbildung alle mit einzubeziehen. […] Da sind Strukturmängel in unserer Verfassungsrealität, die mit gestörter Kommunikation zu tun haben. […] Man könnte von der Schweiz lernen.« [52]

Um nun die Unterschiede zwischen der Demokratie in Deutschland und der Schweiz erklären zu können, sind erst einmal die Gedanken dreier Staatstheoretiker zu beschreiben.

 

Die an eine Zahl von Herrschenden übertragene Souveränität nach Pufendorf

Um genauer darauf eingehen zu können, was »politische Herrschaft« überhaupt bedeutet, möchte ich auf Samuel Pufendorf (1632–1694) verweisen: Dieser hat erstmals die wichtige Unterscheidung zwischen der Verfassung eines Staates und dessen Regierung getroffen, da laut seiner Schriften ein Staat durch zwei Verträge entsteht:

»In einem ersten Vertrag – dem Vereinigungsvertrag schließen sich die Einzelnen zu einem Gesamtkörper zusammen. […] In einem zweiten Vertrag – dem Unterwerfungsvertrag – wird die Souveränität an eine Person oder eine Versammlung übertragen. […] Erst durch diesen zweiten Vertrag […] wird der politische Körper gegründet, der Staat heißt.« [53, S. 128–129]

Der Vereinigungsvertrag führt dabei zur Verfassung, da in beiden festgehalten wird, auf welcher Grundlage von Werten und Gesetzen der Staat entstehen soll. Der Unterwerfungsvertrag führt dann zur Regierungsform, d.h. wenn sich das Volk entscheidet, seine Souveränität einem einzigen Menschen zu übertragen, entsteht eine Monarchie. Wird die Souveränität dagegen an alle Bürger gleichermaßen übertragen, entsteht eine Demokratie (jeder ist jedem anderen unterworfen). Die Aristokratie, wo es viele Herrschende gibt, die dennoch nur einen kleinen Teil des Volkes repräsentieren, liegt dazwischen.

 

Die geteilte Souveränität nach Burlamaqui

Ein Genfer namens Jean-Jacques Burlamaqui (1694–1748) las Pufendorfs Schriften und schrieb daraufhin seine eigene Staatstheorie, denn während für Pufendorf die Souveränität unteilbar war, führte dies für Burlamaqui zu Problemen an den Rändern des politischen Spektrums: So lehnt Burlamaqui von den drei klassischen Regierungsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie

»die Demokratie […] ab, weil diese in die Anarchie abzugleiten drohe; vor der absoluten Monarchie warnt er, weil diese die Tendenz habe, zur Tyrannis zu degenerieren. Da gemischte Regierungsformen diese Extreme vermeiden, werden sie positiv bewertet.« [53, S. 130]

Ein Beispiel für solche gemischte Regierungsform ist der »Fall von Genf […]. Es handelt sich dann um eine durch Demokratie gemäßigte Wahlaristokratie.« [53, S. 130] Dabei sollte nicht vergessen werden, dass zu Burlamaquis Zeiten Genf noch kein offizieller Teil der Schweiz war, sondern eine kleine Republik, die sich durch einen Burgfrieden mit den Kantonen Bern und Zürich ihre Unabhängigkeit von dem sie umgebenden Savoyen bewahren konnte [54]. Die Republik selbst wurde aber von zwei Räten regiert: dem Kleinen Rat (der Vergehen aburteilte) und dem Rat der Zweihundert (die eigentliche Regierung). Beide wurden zwar gewählt, aber die Mitglieder stammten aus wenigen alteingesessenen Familien (Citoyens) und waren zudem nicht absetzbar [vgl. 54] – daher der Begriff der Wahlaristokratie. Die Anfangszeit der Genfer Revolutionen, die Burlamaqui erlebte, brachten aber 1738 einen Vergleich zustande, in dem den Bürgern selbst (Représentants) einige grundlegende Rechte zurückgegeben wurden: Die Entscheidung über Krieg und Frieden, Gesetzte und Steuern [55], daher die »Mäßigung durch Demokratie«. Somit kontrollierten die beiden Kammern sich gegenseitig und die beiden Kammern konnten in einigen Fragen wiederum durch die Entscheidungen der Bürger bei den wichtigen Fragen im Zaum gehalten werden – es entstand das Konzept der Gewaltenteilung.

Dieses Konzept wurde - neben anderen von Burlamaqui - unter dem Namen »Checks and Balances« ins politische System der USA integriert, sodass dieser der wahrscheinlich wichtigste Schweizer Vordenker für das amerikanische Gesellschaftssystem wurde [vgl. 56]. Dort wurden aber zwei Instanzen installiert, die ich weiterhin der Wahlaristokratie zurechnen möchte (Kongress und Senat – beide bestehen aus nicht absetzbaren gewählten Vertretern) und eine Instanz, die ich in Anlehnung an Burlamaqui als Wahlmonarchie bezeichnen möchte (der Präsident, ebenfalls gewählt und nicht absetzbar). Alle westlichen Staaten haben, da sie die USA als Vorbild haben, ein ähnliches Politikkonzept, wenn auch z.T. mit Abschwächungen (so hat die BRD den Teil der Wahlmonarchie auf ein fast nur zeremoniellen Part beschränkt, nachdem dieser Teil zuvor schon einmal in die Tyrannei abgeglitten ist).

Wo ist aber der Teil mit der demokratischen Mäßigung geblieben, der in Genf eingeführt wurde? Ich kann hier nur mutmaßen, aber wahrscheinlich wollten sich die Gründerväter der USA nicht zu sehr an die (von ihnen als minderwertig betrachtete) Irokesen-Föderation anlehnen, in der sich mehrere konsensdemokratisch regierte Stämme zusammengeschlossen hatten – dieses System war für Thomas Jefferson nicht nicht mit einem großen modernen Nationalstaat vereinbar [vgl. 10, S. 5–6].

Aber unter diesem Hintergrund sollte nun klar sein, warum die Demokratie in den westlichen Staaten auf ein minimal nötiges Maß beschränkt ist: Wahlen ja, aber ohne Absetzbarkeit der Vertreter und meist auch ohne Abstimmungen.

 

Die ungeteilte Volkssouveränität der Legislative nach Rousseau

Ein weiterer großer Sohn von Genf hat sich mit Pufendorfs Lehren beschäftigt und einige andere Schlüsse gezogen: Jean-Jacques Rousseau (1712–1778). Er stimmt mit Pufendorf darin überein, dass die Souveränität unveräußerlich und unteilbar ist, fügt aber hinzu, dass »die höchste Gewalt immer beim Volk liegen muss« [53, S. 131].

Warum er dann doch andere Staatsformen als die Demokratie als gültig erachtet, liegt daran, dass

»er die Souveränität auf die gesetzgebende Gewalt beschränkt und die übrigen Befugnisse, die er nicht als Teile, sondern als Wirkung der Souveränität versteht, unter dem Titel der ›exekutiven Gewalt‹ […] einer Regierung überträgt. Diese handelt im Auftrag und im Namen des Souveräns, ist diesem jedoch untergeordnet. […] Je nachdem, ob sie einer einzelnen Person oder einer Körperschaft von Wenigen oder Vielen anvertraut wird, handelt es sich um eine Monarchie, eine Aristokratie oder eine Demokratie.« [53, S. 131]

Rousseau hat hiermit den Kniff vorgenommen, das Gesetzgebungssystem vom Regierungssystem zu unterscheiden, wobei letzteres dem ersteren untergeordnet ist. Hierdurch wird die Regierung eines Staates im Sinne der Exekutive zu einem Diener einer generell direkt beim Volk liegenden Legislative degradiert. Die Argumentation von Swetalana Tichanowskaja in Belarus lief ähnlich – der Präsident als angestellter Mitarbeiter des Volkes [57]. Man scheint die Corona-Zeit dort also gut genutzt zu haben!

Aber die Konsequenz aus Rousseaus Lehren ist etwas radikaler: Es ist zwar jede Art von Regierung gültig, aber nur insofern die Gesetzgebung direktdemokratisch abläuft! Wo auf der Welt haben wird das? In der Schweiz! Genf ist heute nicht umsonst Kanton dieses Staates.

 

Sicherstellung der politischen Beteiligung durch direktdemokratische Gesetzgebung

Mit einer direktdemokratischen Legislative ließe sich also jenes Element sicherstellen, an dem es sowohl in Ostdeutschland als auch in Belarus mangelt: Der politischen Teilhabe. Je nachdem, wo ein neues Gesetz seinen Ursprung hat, braucht es nun zwei Mechanismen, um diese Teilhabe umzusetzen:

- Das Volk entwirft selbst ein Gesetz und stimmt darüber ab (Gesetzesinitiative). Bei Annahme der Mehrheit der Abstimmenden muss es die Regierung umsetzen.

- Die Regierung entwirft ein Gesetz, muss es aber dem Volk zur Abstimmung vorlegen, damit es Gültigkeit erlangt (Volksabstimmung). Das Volk stimmt dann entweder zu oder legt sein Veto ein.

Dass die jeweiligen Gesetze in beiden Fällen verfassungskonform sein müssen, steht dabei außer Frage, sodass es auf jeden Fall einer weiteren Instanz bedarf, welche dies prüft: Dies ist die Rolle der Judikative.

Aber auch die Verfassung muss per Volksabstimmung Weise angepasst werden können – immerhin wurde auch sie ursprünglich vom Volk in seinem Vereinigungsvertrag festgelegt (siehe Pufendorf). Entsprechend muss sie auch geändert werden können, falls sich die Gesellschaft ändert.

Aber eine direktdemokratische Gesetzgebung führt zu weiteren überaus positiv zu beurteilenden Konsequenzen:

- Die Regierung kann nicht mehr über die Köpfe des Volkes hinweg entscheiden. Wenn sie es versucht, bekommt sie ein Veto zurück und muss ihr Gesetz zurückziehen bzw. überarbeiten.

- Auch der Lobbyismus würde weniger, da die Regierung anhand der Gesetzesinitiativen wirklich mitbekommen würde, was dem Volk unter den Nägeln brennt.

- Die unappetitlichen Hinterzimmer-Verhandlungen, wie sie z.B. in der EU gang und gäbe sind, hätten damit automatisch ein Ende bzw. wären weit weniger wirkungsvoll, da die Gesetze transparenter zustande kommen.

- Auch die einfachere Bevölkerung wird wieder Interesse daran haben, sich an der Entwicklung ihres Landes einzubringen – immerhin hat sie mit der direkten Legislative ja jederzeit (!) die Möglichkeit dazu.

- Da nur wenige Bürger eines Staates ein Interesse haben dürften, dass ihr Land den Bach runtergeht, werden sie sich entsprechend bilden, um bei der Abstimmung eine gute Entscheidung treffen zu können.

- Falls sich doch herausstellen sollte, dass eine Abstimmung manipuliert war (weitaus schwieriger als bei Wahlen) oder unerwartet negative Konsequenzen hatte, kann sie einfach durch eine zweite Abstimmung ersetzt werden.

Rahmenbedingungen, unter denen die direktdemokratische Gesetzgebung funktioniert
Aber in den letzten Punkten kommt schon heraus, dass die direkte Legislative nicht einfach so funktioniert, sondern gewisse Rahmenbedingungen braucht. Nehmen wir einmal das Beispiel der Schweiz um 1800, wo noch keinesfalls klar war, in ob nun die dortigen Liberalen oder die Demokraten gewinnen:

»Als übelste Staatsform erschien den Liberalen die Demokratie eines ungebildeten Volkes. Die Willkür der Volkssouveränität [...] verachteten sie nicht weniger als die Willkür der Despotie.« [58, S. 65–66]

Hier ist das Thema Bildung angesprochen, das exorbitant wichtig ist, damit es zu guten Entscheidungen kommt. In der heutigen Schweiz (die stark auf Rosseaus Modell basiert ist) wird dies dadurch sichergestellt, indem der Staat allen Abstimmungsberechtigten Informations-Unterlagen zum entsprechenden Thema zukommen lässt, welche dann neutral das Pro und Contra der entsprechenden Abstimmungsergebnisse darstellen. Insofern herrscht eine staatliche Informationspflicht bei gleichzeitigem Verbot behördlicher Propaganda [vgl. 59, S. 158–160]. So ist eine allgemeines Informationsgrundlage sichergestellt, auf deren Basis sich jeder zusätzliche Infos zum Abstimmungsbereich suchen kann.

Falls eine Seite durch reiche Geldgeber o.dgl. eine übermäßig starke Beeinflussung des Abstimmungsergebnisses erreichten sollte, ist der Staat zudem verpflichtet, dagegen gerichtete Kampagnen zu starten [vgl. 59, S. 158].

Falls es bei einer Abstimmung zu einer niedrigen Beteiligung kommt, darf nicht noch ein zweites Quorum greifen – immerhin kann man die Nicht-Abstimmenden so interpretieren, dass ihnen das entsprechende Gesetz egal ist. Daher ist es legitim, dass auch bei einer Abstimmungs-Beteilung von nur 40% anhand der dort abgegebenen Stimmen entschieden wird. Zudem sind diese selbst in einem solchen Fall in einer weitaus höheren Zahl vorhanden als was die Regierung in einem Staat ohne direkte Legislative jemals stellen könnte – und damit ist die gesellschaftliche Legitimation des Gesetzes dennoch größer.

Wo ein Quorum greifen sollte, ist aber bei einer Gesetzesinitiative: Dort muss eine gewisse Stimmenzahl erreicht werden, damit über das Gesetz abgestimmt werden kann (z.B. 10% der Abstimmungsberechtigten eines Kreises), da sich auf andere Weise das Minimalinteresse des Volkes an dem selbst geschriebenen Gesetz nicht sicherstellen lässt.

Und es gibt noch eine kleine, aber kritische Bedingung, nämlich dass die direkte Demokratie nicht von oben her verordnet werden kann – denn schon allein das wäre nicht mehr demokratisch. Auch die Schweiz ist den Weg von unten nach oben gegangen, d.h. es gab im frühen Mittelalter direktdemokratische Landsgemeinden, im späten Mittelalter dann direktdemokratische Kantone und erst in der Neuzeit nach Napoleon die direktdemokratische Gesamt-Schweiz. Dieser Weg geschah

»mit Hilfe der drei genossenschaftlichen ›Selbst‹ – Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstbestimmung – ein Gemeinwesen aufzubauen vermochten, das auf Ordnung, Sicherheit und Freiheit fusste. Solche Erfahrungen verdichteten sich zu einer gelebten politischen Kultur, die an die nächste Generation weiter gegeben und immer weiter verfeinert und verbessert wurde.« [58, S. 27–28]

Sowohl in Ostdeutschland als auch Belarus hat Corona dazu geführt, dass die Leute begonnen haben, Selbsthilfe zu leisten – und sie haben bemerkt, wie gut das funktioniert. Der erste Schritt in Richtung direkte Demokratie ist also in beiden Ländern gemacht – wir sollten auch die restlichen tun!

 

Quellen:

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[2]: SPIEGEL-Redaktion: »Der Schock ist groß«. Journalistische Zitatesammlung im Web, SPIEGEL, URL: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/thueringen-wahl-pressestimmen-der-schock-ist-gross-a-1293631.html. Stand: 2019-10-28, letzter Zugriff: 2020-10-10.

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[53]: Simone Zurbuchen: Freiheit der Alten - Freiheit der Modernen: Der schweizerische Republikanismus des 18. Jahrhunderts. Wissenschaftlicher Essay, in: René Roca & Andreas Auer (Hrsg.): Wege zur direkten Demokratie in den schweizerischen Kantonen. Wissenschaftliche Essaysammlung, Schulthess, ISBN: 978-3-7255-6463-7. 2011.

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[55]: Wikipedia: Geschichte des Kantons Genf. Lexikonartikel im Web, Wikipedia, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_des_Kantons_Genf. Stand & letzter Zugriff: 2020-08-16.

[56]: Hillary Rodham Clinton: Statement On the Occasion of Switzerland's National Day. Pressemitteilung im Web, U.S. Department of State, URL: https://web.archive.org/web/20111005044642/http://www.state.gov/secretary/rm/2011/07/169371.htm. Stand: 2011-07-29, letzter Zugriff: 2020-08-16.

[57]: Christina Hebel: Lukaschenkos Angstgegnerin. Journalistischer Artikel im Web, SPIEGEL, URL: https://www.spiegel.de/politik/ausland/belarus-swetlana-tichanowskaja-die-frau-die-alexander-lukaschenko-herausfordert-a-e9849b06-d6ea-402d-82bf-f57e3d5a90cc. Stand: 2020-08-07, letzter Zugriff: 2020-08-15.

[58]: René Roca: Wenn die Volkssouveränität wirklich eine Wahrheit werden soll... Wissenschaftliche Monographie, Schulthess, ISBN: 978-3-7255-6694-5. 2012.

[59]: Andrea Töndury: Verfassungsrechtliche Grundlagen der staatlichen Abstimmungskommunikation im Kanton Aargau. Wissenschaftlicher Essay, in: Béatrice Ziegler & Nicole Wälti (Hrsg.): Wahl-Probleme der Demokratie. Wissenschaftliche Essaysammlung, Schulthess, ISBN: 978-3-7255-6492-7. 2012.