Demokratie oder Autokratie
1. Demokratie durch Wahlen und Abstimmungen
2.1 Demokratie im antiken Attika
3. Strukturen autokratischer Staaten in der Neuzeit
4. Geschichte der Scheinwahlen
4.1 Verfassungsreferenden in Frankreich
4.2 Von der Weimarer Republik zur Diktatur im Nationalsozialismus
4.3 Italien während des Faschismus
4.4 Sowjetunion
4.5 Deutsche Demokratische Republik (DDR)
4.6 Nordkorea
4.7 Kuba
4.8 Referenden auf dem Territorium eines Nachbarstaates
1. Demokratie durch Wahlen und Abstimmungen
In unserem Wirtschaftssystem sind wir gewohnt, dass die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber sich zusammenschließen müssen, um gemeinsam die Interessen mit einer größeren Macht gegenüber den Gegnern durchsetzen zu können.
Analog wird erwartet, dass die Politiker sich zu Parteien und Fraktionen und Koalitionen zusammenschließen, um bei der Regierungsbildung und der Gesetzgebung mehr Macht gegenüber den anderen ausüben zu können.
Letztlich fühlen sich Repräsentanten immer gegenüber denen verantwortlich, denen sie ihr Amt verdanken. Würden die Wahlberechtigten das Parlament oder den Landtag oder den Gemeinderat nach dem Mehrheitswahlrecht wählen, dann würden sie sich nur für Personen entscheiden, die sie kennen und die Abgeordneten müssten sich an den Interessen der Mehrheit der Wähler orientieren. Die Aufgabe der Parteien, manche Kandidaten auf aussichtslose Listenplätze zu verbannen und andere Kandidaten mit sicheren Listenplätzen zu belohnen, würde entfallen. So wäre ein Parlament nicht befugt, einen Regierungschef zu wählen, weil wechselnde Mehrheiten schlecht für die Regierungsbildung durch Parteien sind. Aber bei Abstimmungen sind sie im Interesse des Volkes, weil auch bei Volksabstimmungen wechselnde Mehrheiten normal sind. Der Regierungschef oder Gouverneur oder der Bürgermeister müsste dann ebenfalls direkt vom Volk, also ohne eine Vorwahl durch Privilegierte gewählt werden. Meinungsverschiedenheiten zwischen der Regierung und der Mehrheit des Parlaments oder des Landtages oder des Gemeinde- bzw. Stadtrats dürfen nicht zu einer Lähmung der politischen Willensbildung führen.
Deshalb erhält der Regierungschef oder der Bürgermeister einerseits das Recht und das konkurrierende Parlament oder der Gemeinderat als Vertretung des Volkes oder der Kommune andererseits die Berechtigung, durch einen Mehrheitsbeschluss einen Volksentscheid oder einen Bürgerentscheid herbeizuführen.
Bei einem föderal strukturierten Staat kann es ebenfalls ermöglicht werden, dass die Vertretung der Regionen ein Vetorecht bei neuen Gesetzen erhalten und dadurch einen Volksentscheid erforderlich machen.
Die Amtszeit der Regierung und die Amtszeit der Abgeordneten ist normalerweise auf die gleiche Amtsdauer befristet. Aber es gibt für den Leiter der Exekutive und auch für die Legislative durch einen Mehrheitsbeschluss das Recht, die Neuwahl vorzuziehen.
Die Wahlberechtigten des Volkes entscheiden ohne Unterschriftensammlung und ohne Quorum.
Somit würde Wirklichkeit werden, was im Deutschen Grundgesetz in Artikel 20 Absatz 2 gewünscht wird:
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
An der Mehrheitswahl wird immer wieder beanstandet, dass es den Wohlhabenden und insbesondere den Kapitaleignern leichter fällt als den Angestellten und Arbeitern, einen Wahlkampf zu finanzieren. Wenn die Kandidaten Millionen oder sogar Milliarden als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen können, sind sie oft schon aufgrund ihrer gesetzlichen Privilegien sehr prominent. Solche Kandidaten gelten als besonders kompetent, wenn sie zusätzlich den Ausweis von Gewinnen und die Zahlung von Steuern ganz vermeiden. Ihnen fällt es viel leichter Wahlkampfhelfer und Werbung in den Medien zu finanzieren als abhängig Beschäftigten, weil für sie solche Kosten unverhältnismäßig sind. Aber diese Probleme lassen sich durch Partei- und Ideologiewahlen nicht befriedigend lösen. Die Auswirkungen der ungleichen Geldverteilung zwischen Kapital und Arbeit können durch das Wahlrecht nicht gelöst werden.
2. Antike Demokratien
2.1. Demokratie im antiken Attika
Die Attische Demokratie im antiken Athen war eher eine direkte als eine repräsentative Demokratie. In der Zeit von den Jahren 508 bis 322 vor Christus praktizierten die Athener eine direkte Demokratie. Das Prinzip der Volkssouveränität war gleichsam die Basis für die politische Ordnung. Für die Männer ab dem 20. Lebensjahr war es eine Art Pflicht, an den stattfindenden Volksversammlungen teilzunehmen. Sie wurden mehrmals jährlich einberufen. Aber es gab natürlich auch Einschränkungen. Frauen, Sklaven und Fremde ohne Staatsbürgerrechte waren bei diesen Versammlungen ausgeschlossen.
Meilensteine auf dem Weg zur direkten Demokratie waren die Reformen von Solon (640 - 561/558 vor. Chr.) im Jahre 594 vor Christus. Er schuf ein Volksgericht und einen Rat von 400, die bei der Volksversammlung bestimmt wurden. Es waren jeweils 100 Vertreter von vier Volksstämmen, genannt Phylen. Später im Jahre 508 wurden durch die Reformen von Kleinsthenes (570 - 506 v. Chr.) um 508/507 v. Chr. das politische System neu gestaltet. Er teilte das Machtgebiet in politische Gemeinden, die Demen. Der Rat der 500 setzte sich aus je 50 Vertretern der zehn Phylen, also politischen Verwaltungseinheiten zusammen. Der Rat bereitete die Volksversammlungen vor, in dem er eine Tagesordnung mit Entscheidungsvorlagen erstellte. Ein vorbereitender Ausschuss, die sogenannte Prytanie loste einen Vorsteher aus, der dem Rat und der Volksversammlung der Ekklesia vorsaß.
Zu Athens Demokratie gehörten auch die Gerichte. Wer 30 Jahre alt war, konnte durch Losentscheid zu einem von vielen Laienrichtern werden. Sie wurden dadurch zu Teilnehmern von Gerichtsversammlungen oder Gerichtshöfen, die je nach Bedeutung der Entscheidung mehrere 100 Teilnehmer haben konnten.
Nach dem Tod von Alexander dem Großen im Jahre 323 vor Christus und der Vernichtung der Athenischen Flotte im Krieg zwischen Griechenland und Makedonien wurde Athen ein Teil von Makedonien. Das war das Ende der Demokratie von Attika im Jahre 322 vor Christus.
2.2. Die Römische Republik
Römische Republik ist die Bezeichnung für eine Staatsform, die nach der Vertreibung der etruskischen Könige um 500 vor Christus eingeführt wurde. Res publica bedeutet die „gemeinsame Sache“ übersetzt und sie beinhaltet, dass die politischen Angelegenheiten alle Menschen betreffen und dann auch von der Öffentlichkeit gemeinsam entschieden und geregelt werden sollten. Es gab im Römischen Reich eine Oberschicht die man Patrizier nannte. Die Mittel- und die Unterschicht wurde Plebejer genannt. Weil die wichtigsten Ämter von den römischen Adeligen auch von den Patriziern belegt wurden, nennt man die politische Staatsstruktur auch Aristokratie. Die Standeskämpfe zwischen den Patriziern und den Plebejern haben mehr als zwei Jahrhunderte gedauert. Aber dann wurden die Plebejer den Patriziern gleichgestellt. Wohlhabende Plebejer bezeichnete man zusammen mit den Patriziern als Nobilität. Um 350 vor Christus waren die Standeskämpfe beendet. Die neue Verfassung wurde nicht geschrieben, aber sie bestand aus drei Teilen.
Ein Teil bildete den Magistrat mit der zugehörigen Beamtenschaft und der zweite und der dritte Teil setzt sich aus dem Senat zusammen und der Volksversammlung, deren Mitglieder auch Volkstribune hießen. Bei den Volksversammlungen hatten Frauen, Sklaven und Männer ohne Staatsbürgerrechte keine Mitwirkungsrechte. Die Volksversammlungen wählten die hohen Beamten für den Magistrat und beschlossen Gesetze und stimmten auch bei Strafanklagen ab. Es konnte aber auch über Krieg oder Frieden entschieden werden. Die Plebejer hatten eine eigene Volksversammlung. Dadurch konnten sie zwei Magistrate wählen und 10 Volkstribune. Die 300 Mitglieder des Senats waren das Beratungsgremium für die Magistrate. Die 300 Mitglieder des Senats wurden anfangs von Konsuln und ab 312 vor Christus von den Zensoren im Auftrag der Magistrate ausgewählt. Später wurde das Senatorenamt für ehemalige und verdiente Magistratsbeamte auch auf Lebenszeit vergeben.
Die Magistrate bestanden aus zwei Zensoren, die für die Vermögensschätzung eingesetzt wurden. Hinzu kamen zwei Konsuln für das Kommando über das Heer und für politische Regierungsaufgaben. Dazu kamen sechs Prätoren, die als Vertreter der Konsuln in der Rechtsprechung benötigt wurden. Die Quästoren kümmerten sich um die Staatseinnahmen. Zum Magistrat gehörten auch die Ädilen, die für die Organisation und Aufsicht von öffentlichen Veranstaltungen gebraucht wurden.
Neben dem Magistrat gab es noch ein Vertretungsorgan für die Plebejer. Es setzte sich aus 10 Volkstribunen zusammen. Sie konnten gegen die Entscheidungen und Pläne der Magistrate Einspruch einlegen.
Im ersten Jahrhundert vor Christi Geburt kam es in Rom zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen. Zwei Parteien im Senat, die Popularen und die Optimaten bekämpften sich. Während die Optimaten den Senat als vorherrschendes Entscheidungsorgan bewahren wollten, war für die Popularen die Volksversammlung das bedeutendste Machtzentrum.
Es kam zum Niedergang der Republik und mit dem ersten Triumvirat um 60 vor Christus wurde es unmöglich gegen Regierungsentscheidungen Einspruch einzulegen. Das erste Triumvirat war ein Bündnis der drei mächtigsten Männer im alten Rom. Ihm gehörten Cäsar, Gnaeus Pompeius Magnus (*106 - 48 v. Chr.) und Marcus Licinius Crassus (115/114 - 53 vor Chr.) an. Cäsar war 59 v. Chr. noch zum Konsul gewählt worden. Nach einem Bürgerkrieg (49 – 45 v. Chr.) zwischen Cäsars Legionen und dem Senat, angeführt von seinem ehemaligen Verbündeten Pompeius, stieg Cäsar zum Alleinherrscher auf. 60 Senatoren, die eine Diktatur durch den Alleinherrscher verhindern wollten, ließen am 15. März 44 vor Chr. Cäsar ermorden. Später wurden im Verlauf des Bürgerkriegs auch die Erben des Pompeius besiegt.
3. Strukturen autokratischer Staaten in der Neuzeit
Wenn es um die zentrale Frage geht, wie eine Regierung legitimiert wird, stellt sich immer auch die Frage, welche Alternativen gibt es? Was können wir aus der Geschichte lernen? Indirekt geht es dann auch um die Frage, wozu und wieviel Staat war früher und ist heute erforderlich?
Warum war das feudalistische Prinzip von dem Übergang der Macht vom König zum ältesten, zumeist männlichen Erben sehr weit und so lange verbreitet? Es war so beliebt, dass die Kirche mit der Lehre von der Gnade Gottes für viele eine befriedigende Antwort bot.
Wirtschaftlich dominierte früher die Naturalwirtschaft. An die Allgemeinheit sollten die Untertanen einen von der Religion gerechtfertigten einheitlichen Steuersatz von 10 % bezahlen. Aber mit der Industrialisierung kam die Idee der Beteiligung des Volkes als wahrer Souverän und die befreiende Idee der Gewaltenteilung hinzu. Durch Wahlen und Abstimmungen kann der Bürger die obersten Repräsentanten selbst auswählen und bei bedeutenden Fragen selbst entscheiden.
Diese guten Ideale sind jedoch immer wieder unterhöhlt worden durch Politiker mit autokratischen Ambitionen. Solche Politiker neigen meistens zu einer Ideologie, die als wichtiger ja als heiliger, als der Wille des Volkes dargestellt werden. Andauernde wirtschaftliche Ungleichheit in Bezug auf Einkommen und Vermögen, lässt viele Menschen ihre Hoffnung auf eine Ideologie setzen. Sie hat dann in den Augen von deren Anhängern Vorrang vor dem Willen des Volkes. Andere setzen ihre Hoffnungen auf den Vorrang und die Dominanz einer bestimmten Volksgruppe. Das ist dann natürlich die Volksgruppe der die Anhänger selbst angehören. Diese Ideologien bezeichnet man als Nationalismus. Nationalistische Ideen dienen als bedeutsame Legitimation für autokratische Machtausübung gegenüber dem Volk und auch für Kriege gegenüber Nachbarstaaten. Oft gibt es auch religiöse Motive, um Autokratie gegenüber den Untergebenen und Aggression gegenüber anderen Staaten zu rechtfertigen.
Für Autokraten ist es deshalb opportun, sich als ethische Elite zu präsentieren und für sich einen pädagogischen Anspruch zu reklamieren. Sie wollen als Anführer verehrt werden, die Gefahren für das Volk besser kennen als das Volk selbst. Dabei kommt ihnen der religiöse Grundsatz, jede Obrigkeit kommt von Gott, sehr gelegen.
Wer die Ideologie eines Autokraten nicht teilt, gilt als ungeeignet für die Kandidatur. Deshalb duldet ein Autokrat nur unbedeutende Anhänger der gleichen Ideologie als Gegenkandidaten. Zur Geschichte der Demokratie und der Republik gehört deshalb die Geschichte der Scheinwahlen. Es sei denn, er verdankt sein Amt der Erbfolge. Personen, die ihren Autokraten oder seine Ideologie geringschätzen, werden eingeschüchtert, bei der Berufswahl oder am Arbeitsplatz benachteiligt oder wenn sie zu bekannt sind, gleich eingesperrt. Die Scheinwahlen sind den Autokraten, die nicht durch Vererbung in das Amt gekommen sind wichtig, um dem Volk ihre Macht zu demonstrieren. Wer sich unterwirft und den schon ausgefüllten Stimmzettel für alle sichtbar in die Wahlurne wirft, wird offiziell als vorbildlicher und zuverlässiger und guter Staatsbürger gelobt. Wer jedoch sich gegen diesen Akt der Unterwerfung sträubt und nicht an der Scheinwahl teilnimmt oder etwas auf dem zuvor ausgefüllten Stimmzettel durch Beschriftung ändert, gilt als Abweichler oder zumindest als unzuverlässig, so dass er von der Geheimpolizei oder vom Staatsschutz registriert werden kann. Er wird sich dann zumindest für verantwortungsvolle Aufgaben oder für einen Studienplatz disqualifiziert haben. Autokraten wissen nicht nur, wie man Ergebnisse von Scheinwahlen veröffentlicht. Sie wissen auch, wie man Presseerzeugnisse und Journalisten so lange kontrolliert, bis sie entweder auf Kritik am Autokraten verzichten oder ihre Tätigkeit ganz einstellen.
Die Geheimpolizei wacht nicht nur über den ordnungsgemäßen Ablauf der Scheinwahlen, sondern auch über alle Informationen, die das Volk über Internet, Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften erhält. Dabei wird jede Kritik am Autokraten automatisch als Lügenpropaganda und als staatsfeindliche Hetze bezeichnet. Um Lügenpropaganda ganz zu verhindern, gibt es im fortgeschrittenen Stadium die Möglichkeit, private Fernseh- und Rundfunksender und Zeitungen vollständig zu verbieten. Diese Art der Zensur wird ergänzt durch Selbstzensur aller im Staatsdienst tätigen Medienschaffenden. Sofern noch einige ausländische Journalisten in dem Staat geduldet werden, dürfen sie berichten, dass das Volk die offizielle Ideologie des Autokraten gutheißt oder politisch gleichgültig ist. Die Stimmung im Volk soll als überwiegende Zustimmung zur Ideologie des Autokraten gewertet werden.
Da für einen Autokraten die Ergebnisse der Scheinwahlen eindeutig ausfallen, weiß er auch, wie mit den Menschen, die anderer Meinung sind, umzugehen ist. Staatsfeinde haben für ihn keine Gnade verdient. Für einen Autokraten ist nachrangig, ob sie sich im Inland oder im Ausland aufhalten. Wer für Menschenrechte, gerechte nachprüfbare Wahlen, Gewaltenteilung oder Leute eintritt, die aus diesen Gründen im Gefängnis sind, bedroht für ihn die Staatssicherheit und wird als Gefahr für den Staat wahrgenommen. Denn für einen Autokraten ist jede Kritik an seiner Person wesensgleich mit der Kritik an seinem Staat.
Weil Autokraten sich darin geübt haben, die Argumente von ihren Kritikern zu verachten, gilt das auch für Kritiker aus dem Ausland. Sie bezeichnet man dann nicht als Oppositionelle oder Dissidenten, sondern als feindselige Vertreter einer Exilregierung oder als Politiker, die sich in innere Angelegenheiten eines anderen Staates einmischen würden. Um sich vor allen Personen zu schützen, die sich als vermeintliche Staatsfeinde betätigen, ist für Autokraten eine starke Polizei und ein Geheimdienst sehr wichtig. Weil sie sich aber auch vor den angeblichen Gefahren von demokratischen Nachbarstaaten wappnen müssen, benötigen Alleinherrscher einen treu ergebenen Militärapparat, der fortlaufend mit Aufrüstung gestärkt wird. So geraten demokratische Nachbarstaaten leicht in ein Dilemma. Wenn sie sich bedroht fühlen und ebenfalls mehr in Aufrüstung investieren, kommen sie leicht in den Verdacht, einen Autokraten in seinem Sicherheitsbedürfnis zu gefährden und dadurch einen Rüstungswettlauf zu provozieren. Sie werden beschuldigt, das Rüstungsgleichgewicht mit einem Nachbarstaat auszuhebeln und den Nachbarstaat einschließlich seines Autokraten in ihrem Grundbedürfnis nach Sicherheit zu gefährden. Der Autokrat darf nicht gedemütigt werden, weil das nicht vorhersehbare Einschränkungen für die Bevölkerung der benachbarten Staaten nach sich ziehen könnte. Um für den Autokraten gesichtswahrende Lösungen anbieten zu können und eine friedliche Koexistenz zu ermöglichen, muss man das Schicksal der politischen Gefangenen ignoriert werden.
Wie Oppositionelle und mutige Journalisten von dem Machtapparat eingeschüchtert und mundtot gemacht werden, muss als bedeutungslos eingestuft werden. Ob sie ihren Beruf noch ausüben können oder ob die prominenteren Gegner schon im Gefängnis sind, kann nach dem Selbstverständnis von Autokraten nur ausländische Agenten und ausländische Hetzer interessieren.
Weil Autokraten in ihrem Land und oft auch in ihrer Muttersprache keine einflussreichen Kritiker mehr haben, müssen sie sich mit abweichenden Argumenten nicht mehr ernsthaft auseinandersetzen. Sie glauben wirklich, dass die wenigen mutigen Dissidenten wegen dem Vorrang ihrer Ideologie das Gefängnis oder den Tod verdient haben. Ihre totalitäre Ideologie führt oft zu Allmachtsphantasien oder zu einem wahnhaften Sendungsbewusstsein. Das kann soweit kommen, dass sie Menschen in Nachbarstaaten als Untermenschen oder als Brudervölker bezeichnen, die auf ihre Befreiung durch die Macht und Weitsicht des Autokraten warten. Nach dem ehernen Grundsatz aller Autokraten der lautet: Der Zweck heiligt die Mittel, fühlen sie sich berufen, den Menschen im Nachbarstaat aufgrund ihrer Weitsicht und Macht zu Hilfe zu kommen. Bestärkt werden sie dabei oft durch Anhänger und Nutznießer und Günstlinge, die die gleiche Ideologie und ethnische Zugehörigkeit und Muttersprache wie der Autokrat haben. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Menschen in den Nachbarstaaten mit dem pazifistischen Prinzip der Unterwerfung einverstanden sind. Kommt es dann zu Krieg, auf den sich das Volk des Autokraten am meisten vorbereitet hat, dann müssen die Armeen des Autokraten und in den Nachbarstaaten viele Opfer an Menschen und an Material hinnehmen.
Aber auch in dieser Phase der politischen Karriere eines Autokraten gibt es immer noch viele Nutznießer und Anhänger für das Fortbestehen der Autokratie. Denn ein Krieg kann nicht mit demokratischen Grundsätzen geführt werden. Die Faszination die eine nationale Zugehörigkeit ausübt, die Sprache und Kultur und das Brauchtum erweckt in den Anhängern das Gefühl, den anderen Sprachen und Kulturen und Traditionen überlegen zu sein.
Auch die Ideologen ihrerseits sind davon überzeugt, dass der Vorrang ihrer Ideologie erst in der Zukunft für das gemeine Volk sichtbar wird. Die ausufernden Verteilungskämpfe in kapitalistischen Gesellschaften und das Schlangestehen in sozialistischen Staaten sind für die Anhänger der zugrunde liegenden Weltanschauung Kinderkrankheiten, wie auch die superreichen Oligarchen und die im Niedriglohnsektor arbeitenden Menschen.
Falls dann noch die Korruption und die Arbeitslosigkeit dazu kommt, dann bedarf es nach der Meinung vieler Menschen eines starken Herrschers, der mit eisernem Besen die Probleme angeht und auf die Befindlichkeiten von Andersdenkenden keine Rücksicht mehr nimmt. Die Anhänger und Günstlinge der Autokraten argumentieren, dass unnütze Zerstörungen und Misserfolge verhindert werden können, wenn man sich dem Alleinherrscher unterwirft. Sie reklamieren sogar die christliche Religion für sich, weil nach ihrem Verständnis jede Obrigkeit von Gott kommt. Sie können auch darauf verweisen, dass es zurzeit der großen Religionsstifter ebenfalls keine Wahlen und Abstimmungen gegeben hatte.
Andererseits gehen die demokratischen und die republikanischen Prinzipien bis in die Antike zurück. Im antiken Attika wurden demokratische Herrschaftsformen praktiziert. Aber von der Staatskirche wurde die Lehre verbreitet, die Könige würden ihre Macht der Gnade Gottes verdanken, womit die Erbmonarchie eine religiöse Legitimation erhielt.
Der Islam lehrt seinen Anhängern ebenfalls keine Herrschaftsformen, die die Macht des Staatsoberhaupts an Gesetze bindet. Im Gegenteil, die fundamentalistischen Muslime bezeichnen demokratische Gesetze als unislamisch. Dabei orientieren sie sich wohl mehr an den Taten als an den Worten ihres Religionsstifters. Sie bestätigen auf diese Weise, dass es immer zwei Wege zum Frieden gibt, entweder durch Gerechtigkeit oder durch Unterwerfung.
4. Geschichte der Scheinwahlen
4.1 Verfassungsreferenden in Frankreich
Mit der Industrialisierung und dem Aufkommen demokratischer Prinzipien in der Neuzeit begannen auch die Abstimmungen, bei denen die Ergebnisse schon vor dem Wahltag feststanden. Die moderne Idee von der Herrschaft des Volkes gehen auf Jean Chaques Rousseau (28.6.1712, Genf – 2.7.1778, Emenonville bei Paris) zurück. Er erklärte das Prinzip von der Herrschaft des Volkes zum obersten Maßstab für die Politik. Sie kommt durch den Willen des Volkes, den Volonté Générale zum Ausdruck. Ein zweites Prinzip für die Auswahl politischer Repräsentanten war das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Männer, auf französisch das Suffrage Universel. Wie in Frankreich Napoleon Bonaparte (15.8.1769, Ajaccio, Korsika – 5.5.1821, Longwood, St. Helena) diese Grundprinzipien für die Legitimation seiner Herrschaft nutzte, ist von besonderer Bedeutung. Er ließ während seiner Regentschaft insgesamt viermal Wahlen abhalten, die jedoch als Plebiszite, als Volksabstimmungen konzipiert waren. Napoleon ließ sich am 9.11.1799 zum ersten Konsul von drei und damit zum Regierungschef einer französischen Regierung wählen. Daraufhin dekretierte er eine neue Verfassung für Frankreich am 13.12.1799 die am 25.12.1799 in Kraft trat. Am 7.2.1800 ließ er die Wahlberechtigten abstimmen. Sie ergab eine Zustimmung von 99,94 %, was gleichzeitig als Zustimmung zu seiner Herrschaft gewertet wurde. 53,74% enthielten sich der Stimme.
Am 10.5.1802 fand ein Referendum zur Ratifizierung einer neuen Verfassung in Kraft, in der Napoleon Bonaparte zum ersten Konsul auf Lebenszeit bestimmt wurde. Sie fanden eine Zustimmung von 99,76%. 49,45% enthielten sich der Stimme.
Am 18.5.1804 wurde das Französische Kaiserreich ausgerufen. Aber nicht ohne die formale Entscheidung dem Volk zu überlassen. Am 6.11.1804 wurde sie bei einer Volksabstimmung mit 99,93% bestätigt bei 47,2% Wahlbeteiligung.
Ins Exil auf die Insel Elba zwischen Korsika und Italien musste er am 4.5.1814 gehen. Kurze Zeit später am 1.3.1815 kehrte er nach Frankreich zurück. Seine erneute Herrschaft über Frankreich bis zum 22.6.1815 ließ er sich wieder durch ein Verfassungsreferendum am 22.4.1815 bestätigen. Diesmal stimmten 99,67 zu. 77,46% der Wahlberechtigten nahmen nicht an der Wahl teil. Nach der Abdankung musste er in das Exil auf die Insel St. Helena.
Tab 1: Frankreich
Bei einem Staatsstreich am 2.12.1851 löste der französische Staatspräsident Charles Louis Napoleon Bonaparte die Nationalversammlung auf. Bedeutende Oppositionspolitiker kamen in Haft. Diese gewaltsame Machtergreifung ließ er sich ebenfalls durch Referenden legitimieren. Am 20. und 21.12.1851 hatten die Wähler zu entscheiden, ob sie die Fortsetzung der Herrschaft Louis Napoleon Bonaparte wollen und die Ausarbeitung einer neuen Verfassung unterstützen. Sie wurde von 92% der Wähler bei 81,7% Wahlbeteiligung angenommen. Elf Monate später am 21. Und 22. November 1852 durfte das Wahlvolk entscheiden, ob sie für die Wiedereinführung des Kaiserreichs unter Führung von Louis Napoleon Bonaparte und seiner Familie zustimmen. Die Volksabstimmung wurde von dem Neffen von Napoleon I. gewonnen mit 96,9% bei 79,8% Wahlbeteiligung. Am 2.12.1852 ließ er sich zum Kaiser Napoleon III. ausrufen.
In der Folgezeit und in anderen Staaten in Europa und der USA wurde es aber üblich, für die Wahl Wahlkabinen einzurichten und mit Stimmzetteln und Urnen ein geheimes Wahlrecht mit vielen Kandidaten zu ermöglichen. Am Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 wurde die Monarchie abgeschafft und bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung am 19.1.1919 erstmals das reichsweite Frauenwahlrecht nach dem Verhältniswahlrecht ausgeübt.
4.2 Von der Weimarer Republik zur Diktatur im Nationalsozialismus
In der Weimarer Verfassung vom 11.8.1919 bestimmte in Artikel 22 Absatz 1 ein allgemeines Wahlrecht nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. Bei der Verhältniswahl dürfen die Wahlberechtigten nicht über die Eignung von Personen, sondern nur über eine Weltanschauung entscheiden. Ob sie mehr oder weniger gemäßigt ist und keinerlei Aufbruchsstimmung vermitteln kann oder ob sie auf Protest spezialisiert ist und so dem Bürger Hoffnung auf grundlegende Veränderungen zukommen lassen kann, macht bei Wahlen den Unterschied für den Erfolg von Parteiprogrammen. Der reinen Listenwahl wird zugutegehalten, dass Reiche und superreiche Kapitaleigner nicht mehr so viele Privilegien haben, wie bei der Mehrheitswahl.
Zwischen 1919 und 1933 gab es neun Wahlen zum Deutschen Reichstag. Davon gab es allein fünf Wahlen zwischen 1928 und 1933. Bei der Reichstagswahl am 5.3.1933 erhielt die NSDAP 43,9 % der Stimmen und die KPD 12,3 % der Stimmen. Dadurch waren die extremen Ideologien, die an einer Abschaffung der Parteien interessiert waren in der Mehrheit. Die NSDAP ging mit der Deutschnationalen Volkspartei, die 8% der Stimmen erhielt, eine Koalition ein. Damit hatten sie eine absolute Mehrheit im Reichstag. Am 24.3.1933 beschlossen sie ein Ermächtigungsgesetz. Die offizielle Bezeichnung hieß Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich.
Bei der Abstimmung im Reichstag waren die 81 Abgeordneten der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) entweder verhaftet oder auf der Flucht. Von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands waren 26 Abgeordnete wegen Flucht oder anderen Gründen abwesend. Die 94 anwesenden Abgeordneten stimmten dagegen. Das waren 14,5% der Abgeordneten. Von den übrigen Abgeordneten stimmten alle 444 Anwesenden dafür. Das waren 68,6%. Damit war die Gewaltenteilung aufgehoben und ein Einspruchsrecht durch Reichstagsabgeordnete nicht mehr möglich. Zwischen Mai und Juli 1933 wurden nacheinander alle politischen Parteien außer der NSDAP verboten.
Bei den folgenden Reichstagswahlen waren die Ergebnisse ganz im Sinne des herrschenden Autokraten. Am 12.11.1933 erhielt die NSDAP und Parteilose 92,1% der Stimmen bei 95,2% der Wahlbeteiligung. Am 29.3.1936 erhielten NSDAP-Mitglieder und Unabhängige 98,8% der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von 99,0%. Danach gab es noch einmal eine Wahl am 10.4.1938 mit einer Ergänzungswahl am 4.12.1938. Das Ergebnis lag bei 99,1 % für die NSDAP und Gäste bei einer angeblichen Wahlbeteiligung von 99,6 %.
Tab2: Deutsches Reich
Wie bei Napoleon wurden bei den sogenannten Wahlen keine Gegenkandidaten zugelassen.
4.3 Italien während des Faschismus
In Italien wurden am 6.4.1924 Parlamentswahlen abgehalten. Die Nationale Liste von Benito Mussolini (29.7.1883, Predappio, Italien – 28.4.1945, Giulino, Azzano, Italien) erhielt 64,94% der Stimmen. Damit erhielten sie 374 von 535 Sitzen im Parlament. Die Wahl wurde nach den Vorschriften des Acerbo-Gesetzes durchgeführt. Es war am 14.11.1934 im Parlament verabschiedet worden. Es gab der größten Partei, wenn sie mehr als 25 % der Stimmen erhielt, das Recht, zwei Drittel der Sitze im Parlament mit eigenen Kandidaten zu besetzen. Am 24.3.1929 fanden die nächsten Wahlen der italienischen Abgeordnetenkammer statt. Bei ihr war nur noch die Nationalfaschistische Partei von Benito Mussolini zugelassen. Sie erhielt mit 98,43% der Stimmen alle 400 Sitze im Parlament. Somit war die Verhältniswahl schon vor dem Deutschen Reich zu Gunsten einer Einparteienherrschaft abgeschafft worden. Am 25.3.1934 gewann die Nationalfaschistische Partei 99,85% der Stimmen und wieder alle 400 Sitze. Nach dem Zweiten Weltkrieg am 2.6.1946 durften erstmals die Frauen an der Wahl teilnehmen. Es gab wieder viele Parteien, die nach den Grundsätzen der Verhältniswahl sich zu Koalitionen für eine Regierungsbildung zusammenraufen mussten. In der Folge hat das politische System bis 2022 67 Regierungen mit 30 Ministerpräsidenten hervorgebracht.
Tab3: Italien
4.4 Sowjetunion
Während des ersten Weltkriegs war das Deutsche Reich in einem Zweifrontenkrieg verwickelt. Um das zu beenden, wurde Wladimir Iljitsch Lenin (22.4.1870, Uljanowsk, Russland – 21.1.1924, Gorki Leninskije, Russland) bei seiner Migration von der Schweiz nach Petersburg geholfen, damit er dort eine Revolution entfachen und den Krieg beenden kann.
Fortan folgte der Allrussische Sowjetkongress der Duma als oberstes Beschlussorgan für die Zeit von 1918 bis 1936. Er wurde aber ergänzt durch den Kongress der Sowjets der Sowjetunion nach seiner Gründung im Jahr 1922.
Gesetzgebende Wahlen gab es erst nach der Ära Lenin ab dem Jahr 1924. Bei ihnen war nur die Kommunistische Partei oder unabhängige Kandidaten zugelassen. Am 5.12.1936 trat die zweite sowjetische Verfassung in Kraft. Ein Jahr später am 12.12.1937 fand die erste Wahl gemäß der neuen Verfassung in der Sowjetunion zum Obersten Sowjet statt. Die Kommunistische Partei (Bolschewiki) und die unabhängigen Kandidaten erhielten 99,30 % der Stimmen. Das ergab 461 Sitze für die Bolschewiki und 108 Sitze für die Unabhängigen. 0,7% stimmten mit Nein. Die Wahlbeteiligung wurde mit 96,79 % angegeben. Beim Sowjet der Nationalitäten stimmten 99,37 % für die Kommunistische Partei und Unabhängige und 0,63 % dagegen. Auf die Bolschewiki entfielen 409 Sitze und 165 auf Unabhängige bei gleicher Wahlbeteiligung.
In der Tabelle ist die Anzahl der Sitze und die prozentuale Anzahl der Gegenstimmen als Summanden angegeben, wobei der erste Wert für den Sowjet der gesamten Union angibt und der zweite Wert für die Sowjets der Nationalitäten steht. Bei der letzten Wahl im Jahre 1989 gab es mehrere Kandidaten zur Auswahl. Sie mussten jedoch die Grundbedingung erfüllen und Mitglieder der KPdSU sein.
4.5 Deutsche Demokratische Republik (DDR)
Wie bei anderen autokratischen Staaten, gab es auch in der DDR Wahlen, bei denen die Bürger durch ein unauffälliges und mustergültiges Verhalten die Möglichkeiten hatten, die Wahlvorschläge der Herrschenden gutzuheißen. Wer damit nicht einverstanden war, konnte eine Wahlkabine aufsuchen, die oft ziemlich weit von den Wahltischen entfernt war. Dort konnten Kandidaten von der Liste gestrichen werden.
Aber nur wenige Mutige waren bereit, den fast schon skandalösen und von der Staatssicherheit überwachten Weg auf sich zu nehmen. Der bequemere Weg war, den Zettel mit dem Wahlvorschlag unverändert zu falten und ihn vor allen Anwesenden in die Wahlurne zu werfen.
Tab 5: DDR
Die letzte Wahl 1990 wurde aufgrund eines neuen Wahlgesetzes durchgeführt. Am 20.2.1990 hatte die Volkskammer ein neues Wahlgesetz erlassen. Auf dem Wahlzettel waren 23 Parteien oder Parteibündnisse aufgeführt, die alle nach dem Verhältniswahlrecht 400 Kandidaten in die Volkskammer entsenden konnten. 12 von den 23 Parteien und Parteibündnissen erhielten mehr als 0,1% der Stimmen und konnten Abgeordnete in die Volkskammer entsenden.
4.6 Nordkorea
Bei den Wahlen am 17/20.2.1947 waren 237 Parlamentssitze zu vergeben. Es entfielen 86 auf die Arbeiterpartei und 92 auf Unabhängige. Zwei weitere Parteien erhielten jeweils 30 Sitze. Bei der nächsten Wahl am 25.8.1948 hatten es wieder vier Parteien in das Parlament geschafft. Sie wurden unter Führung der Arbeiterpartei zur Vaterländischen Front zusammengefasst. Nach dem Koreakrieg fanden die nächsten Wahlen am 27.8.1957 statt. Bei ihr erhielt die Arbeiterdatei 178 von 215 Sitzen. Zusammen mit den anderen Parteien waren sie wieder in der Vaterländischen Front zusammengeschlossen. Sie erhielt 99,92 % der Stimmen und 0,08 % hatten den Mut dagegen zu sein. Bei der Wahl am 12.12.1972 erhielt die Arbeiterpartei 127 von 541 Sitzen. Aber da sie alle durch ein Bündnis in der Vaterländischen Front vereint waren, konnten sie bei bedeutenden Themen nicht mehr Einfluss auf die Politik nehmen. Bei den nächsten Wahlen am 11.11.1977 gab es nur Abgeordnete von der Vaterländischen Front. Sie erhielten alle 579 Sitze. Bei den folgenden Wahlen am 28.2.1982 und am 2.11.1986 fielen wieder alle Sitze an die Abgeordneten von der Vaterländischen Front. Am 22.4.1990 kamen wieder vier Parteien in das Parlament. Dabei erhielt die Arbeiterpartei 601 von 687 Sitzen. Für die Kontinuität der Machtverhältnisse war jedoch gesorgt, weil sie alle in der Vaterländischen Front zusammengeschlossen waren. Bei den folgenden Wahlen am 26.7.1998 erhielt die Arbeiterpartei 594 von 687 Sitzen. Bei den Wahlen am 3.8.2003 gewann die Demokratische Front für die Wiedervereinigung von Korea alle 687 Sitze. Danach am 8.3.2009 erhielt die Arbeiterpartei 606 von 687 Sitzen und am 9.3.2014 607 von 687 Sitzen und bei den Wahlen am 10.3.2019 fielen wieder alle Sitze an die Vaterländische Front. Während es bei den Wahlen am 27.8.1957 0,08% Gegenstimmen gab, bei 99,99% Wahlbeteiligung, lag 1962 die Wahlbeteiligung bei 100% und keinen Gegenstimmen. In den folgenden Jahren war laut Statistik niemand der Wahl ferngeblieben und die abgelehnten Wahlvorschläge wurden nicht gezählt.
4.7 Kuba
Im März 1952 stürzte Fulgenco Batista den unpopulär gewordenen Präsidenten Carlos Prio. Er war schon in den Jahren 1940-1944 ein gewählter Präsident des Landes. Aber diesmal sagte er die anstehenden Wahlen ab und löste den bestehenden Kongress auf. Die Diktatur führte zu bewaffnetem Widerstand. Am 29.12.1958 griffen die Guerilleros bei Santa Clara einen Zug an, der mit Waffen und Munition beladen war. Am 1.1.1959 musste der Diktator Batista in die Dominikanische Republik fliehen. Eine Woche später am 8.1.1959 zog Fidel Castro als gefeierter Sieger in die Hauptstadt Havanna ein.
Tab 7: Kuba
Die ersten drei Wahlen fanden von 1975 bis 1986 statt. Die Abgeordneten wurden von in den Mitgliedern der 169 Gemeindeversammlungen ausgewählt.
Bei der Wahl 1993 hatten die Wähler zum ersten Mal die Möglichkeit, sich entweder für die gesamte Liste oder für einzelne Kandidaten auf der Liste zu entscheiden. Vor der Wahl hatten mehr als 60000 Personen eine Kandidatur angemeldet. Die Nationale Kandidaturkommission wählte 589 Kandidaten aus, die auf einer Liste zur Wahl zugelassen waren. Auf diese Weise erhielten alle Kandidaten die erforderlichen 50 % der Stimmen.
4.8 Referenden auf dem Territorium eines Nachbarstaates
Bei dem Referendum am 16.3.2014 auf der Krim konnten die an der Abstimmung teilnehmenden nur wählen, ob es einen Beitritt zur Russischen Föderation geben soll oder ob der Status von 1992 wieder hergestellt werden soll. Das war der Zustand bevor die Ukraine ihre Selbständigkeit erhielt. Durch die Fragestellung konnte so erreicht werden, dass die ukrainisch sprechende Bevölkerung kein Interesse am Wahlergebnis haben konnte. Die Gegner des Referendums argumentieren auch, dass nach Artikel 73 der Ukrainischen Verfassung Änderungen an dem Territorium ausschließlich durch ein Referendum der gesamten Ukraine möglich sind.
Das Referendum wurde schließlich von russischsprachigen Milizen mit Unterstützung des Nachbarstaates abgehalten. Um allen Wählern eine Orientierung zu geben, wurden durchsichtige Wahlurnen verwendet und auf die Ausgabe von Wahlumschlägen verzichtet. In Sewastopol soll die Zustimmung sogar 123% der registrierten Wähler betragen haben.
Tab 8: Ukraine
Bei dem Referendum im September 2022 konnten an den ersten vier Tagen nur bestimmte Personen wählen. Am ersten Wahltag gab es viele Kundgebungen zugunsten eines Beitritts der besetzten Gebiete zu Russland. Am zweiten Wahltag wurden Beschwerden bekannt, dass es keine geheime Wahl gibt.
Die Einwohner konnten nur am 27.9.2022 wählen. Einzelpersonen konnten nicht wählen, weil pro Haushalt nur eine Stimme erlaubt war. Weil die Einwohner sehr nahe an der Front wohnten, gingen bewaffnete Soldaten oft von Tür zu Tür. Die Wahlveranstaltung soll deshalb auch genutzt worden sein, um junge Männer für die Wehrpflicht zu rekrutieren. Ausweise waren für die Wahl nicht erforderlich und sie konnten sich die Zettel von den Soldaten ausfüllen lassen.
Wie schwerwiegend die Regierungsinteressen Russlands gegenüber der eigenen Bevölkerung sind, kann auch an anderen Ereignissen ermessen werden. Am 4.10.2016 setzte das Justizministerium die Menschrechtsorganisation Memorial auf die Liste der „Ausländischen Agenten“. Sie wäre vom Ausland aus finanziert, würde russische Gesetze kritisieren und hätte die russischen Sonderoperationen in der Ukraine als Aggression bezeichnet.
Die Organisation entstand im Herbst 1987 in einer Zeit als der damalige Generalsekretär der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, Glasnost und Perestroika propagierte. Glasnost wird mit Offenheit und Perestroika mit Umgestaltung übersetzt. Am 28.12.2021 wurde die Organisation durch das Oberste Gericht der Russischen Föderation ganz verboten und die Zwangsauflösung angeordnet, wegen angeblicher Verstöße gegen das „Agentengesetz“.
Am 25.6.2020 bis zum 1.7.2020 gab es in Russland ein Verfassungsreferendum und vom 17. bis zum 19. September 2021 Duma-Wahlen. Durch solche mehrtägigen Wahlen wurden die Kontrollmöglichkeiten von Wahlbeobachtern erschwert. Scheinwahlen lassen sich oft nicht an Wahlergebnissen ablesen. Man müsste auch das Schicksal von oppositionellen Politikern und Journalisten einbeziehen. Wird ein autokratisches regiertes Land in einen Krieg verwickelt, führt das in der Regel zu noch mehr Zensur und Einschränkungen bei der Pressefreiheit. Am 24.2.2022 begann der Feldzug Russlands gegen die Ukraine. Acht Tage später am 4.3.2022 trat ein Gesetz in Kraft, das Falschaussagen über das russische Militär verbietet. Nach dem Gesetz ist es auch verboten den Feldzug gegen die Ukraine als Krieg zu bezeichnen.